Interview Sanierungsarchitekt
Kostenlose Beratung für Bauwillige in der Altstadt
Thema des Monats: Mai 2021
Innenstadtkonzeption, Gestaltungssatzung und Gestaltungshandbuch, kommunales Förderprogramm zur Durchführung kleiner privater Baumaßnahmen oder Sanierungsberatung: Die Stadt Freising engagiert sich auf vielfältige Weise, um das einzigartige Ensemble Altstadt und Domberg zu bewahren. Dabei gehen eigene kommunale Aktivitäten zur Förderung der Baukultur und die Unterstützung privater Bauwilliger Hand in Hand. Als bereits nach kürzester Zeit wirkungsvoll hat sich das Angebot einer kostenlosen individuellen Fachberatung erwiesen: Seit vergangenem Jahr ist Hannes Rössler als öffentlicher Sanierungsarchitekt für die Altstadt und den Domberg bestellt und steht Interessierten bei Gebäudesanierungen zur Seite. Dabei unterstützt er bei Fragen zur technischen Ausführung, zu guter Gestaltung, erforderlichen Genehmigungen, Fördermöglichkeiten und steuerlichen Erleichterungen. Im Interview berichtet der Münchner Architekt über seine Aufgaben, die Beratungstermine und die Ziele des Angebots.
Sie sind seit gut einem Jahr als Sanierungsarchitekt in Freising tätig. Wie viele Beratungen haben Sie seither durchgeführt?
Rössler: Mittlerweile fanden 14 Sanierungsberatungen statt.
Bieten Sie feste Termine, also Sprechtage, oder anders gefragt: Wie kommen Interessierte an einen Beratungstermin?
Regelmäßige Sprechtage gibt es nicht. Wer sich für eine Beratung interessiert, wendet sich an das Amt für Stadtplanung und Umwelt, das in Abstimmung mit mir einen Termin festlegt. In der Regel finden dann zwei oder drei Beratungen an einem Tag statt, die jeweils etwa eine dreiviertel Stunde dauern.
Und wie geht es nach dem Beratungstermin weiter?
Das ist ganz verschieden – und jedes Mal wieder spannend: Es gibt Fälle, die gleich an Ort und Stelle abschließend besprochen werden können. Manchmal ist es erforderlich, dass ein Handwerksbetrieb hinzugezogen wird. Sehr gute Erfahrungen haben wir mit der Beteiligung einer Schreinerei gemacht, die auf den Umgang mit historischen Fenstern spezialisiert ist. Hilfreich kann ebenfalls der Rat eines Steinmetzbetriebs sein, wie beim Gebäude in der Unteren Hauptstraße 41: Ergebnis der gemeinsamen Besprechung war der Bau einer Steinbank, die sich jetzt seitlich des Eingangs der Bäckerei befindet.
Oftmals hilft auch nach der Beratung ein Blick in die Archivakten – also auf den Zustand vor einer Überformung des Gebäudes. Oft ist das der Impuls für eine gute Lösung. In jedem Fall bekommen Bauwillige ein mit der Stadt Freising entwickeltes und abgestimmtes Beratungsprotokoll, oft ergänzt mit einer Skizze.
Sehenswerte Fassaden: Seit 2014 konnten neun Gebäudesanierungen in der Altstadt finanziell unterstützt werden.
Welches Ziel wird mit der Sanierungsberatung verfolgt?
Mit Einführung der Gestaltungssatzung wurden eine Reihe neuer Vorschriften aufgestellt. Ziel all dieser Vorgaben ist es, das unverwechselbare baukulturelle Erbe der Altstadt von Freising zu schützen, zu verbessern und weiterzuentwickeln. Dabei will die Sanierungsberatung unterstützen und zugleich mehr Verständnis für die eigene historische Stadt wecken, was uns bisher auch immer gelungen ist! Mit dem kommunalen Förderprogramm wird dabei der Mehraufwand finanziell etwas ausgeglichen.
Weil Sie gerade das Thema Kosten ansprechen: Wer finanziert die Sanierungsberatung?
Meine Tätigkeit als Sanierungsberater wird aus Mitteln der Städtebauförderung finanziert. Also Bund, Land und Stadt tragen die Kosten.
Nehmen Sie die Termine alleine wahr?
Nein, die Beratung findet immer vor Ort und gemeinsam mit Stadtbaumeisterin Barbara Schelle und/oder ihrer Mitarbeiterin Brigitte Mößner statt. Dadurch sind die Termine auch immer sehr effektiv.
Was hat sie motiviert, sich als Sanierungsarchitekt in Freising zu engagieren?
Seit meiner Studienzeit habe ich mich nicht für „Stararchitektur“ oder modische Wettbewerbsgewinne, sondern vielmehr für zeitlose Qualitäten interessiert. Ich bin außerdem Sammler historischer Baufibeln, Gestaltungslehren, von Handwerks- und Konstruktionsbüchern. Freising ist ein besonderer Traditionsort für mich: Im Spannungsfeld zwischen Domberg und Bürgerstadt stellen die wirtschaftliche Dynamik, der Zuzug und damit einhergehend die Nachverdichtung eine Herausforderung dar. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, Freising als lebenswerte Heimat mit dem historischen Stadtbild zu erhalten. Die Baukultur des nördlichen Oberbayerns jenseits von Klischees zu bewahren und in die Gegenwart fortzuführen, reizt mich ganz besonders – gerade nicht im theoretisch-akademischen Umfeld, sondern in der täglichen Praxis des umgesetzten Bauwerks.
Wie funktioniert das konkret?
Ein gelungener Dialog von Neu und Alt setzt die Kenntnis von Proportionen und Maßstäblichkeit, von Silhouette und Öffnungsverteilung, von Konstruktionen und Materialien, ihrer Alterung und Erscheinung voraus. Nach meiner Erfahrung ist da häufig das Spektrum der Möglichkeiten nicht hinreichend bekannt oder die räumliche Vorstellung machbarer Alternativen fehlt. Im Gespräch mit Bauwilligen, Architekt*innen und Handwerksbetrieben ist in der Praxis immer eine konstruktive Lösung möglich. Was besonders erfreulich ist: Bisher konnten wir immer gemeinsam ein einvernehmliches Ergebnis erzielen – selbst dann, wenn die Vorstellungen ursprünglich sehr weit auseinanderlagen. Die Freisinger*innen lieben ihre Stadt! Wenn die Vorschriften erklärt und das Ziel herausgearbeitet und verstanden wird, dann ist der erste Schritt in die richtige Richtung getan.
Abschließend: Was ist Ihre persönliche Leitidee als Sanierungsberater?
Dass eine qualitätsvoll gebaute Umgebung ein generationenübergreifendes Werk einer größeren Gemeinschaft ist. Dies zu ermöglichen, bereitet mir besondere Freude.