Freising macht sich stark für die Demokratie

Großartige Resonanz und der Wunsch einer Wiederholung

Thema des Monats: November 2021

Wenn sich bei einer Online-Befragung rund 90 Prozent eine Wiederholung wünschen, dann haben die veranstaltenden Organisationen und Initiativen alles richtig gemacht. „Die Lange Nacht der Demokratie“ – Höhepunkt der vorausgegangenen Reihe, in der ein Jahr lang das Thema auf vielfältige Weise beleuchtet worden war, – präsentierte am 2. Oktober 2021 ein Programm, das lange nachhallen wird: Auf Straßen und Plätzen, in Kneipen, Kulturstätten und Bildungseinrichtungen beschäftigten sich Kinder und Erwachsene mit dem Wert und der Zukunft der Demokratie. Es wurde debattiert, philosophiert, gemalt, geslammt, Musik und Kultur genossen, gelacht und gefeiert. Der inspirierende Abend schuf unvergessliche Momente und die Erkenntnis: Demokratie ist viel mehr als eine Staatsform und braucht das lebendige Engagement der gesamten Gesellschaft. Auf jede*n Einzelne*n kommt es an.

Passend dazu stand wurde als Leitsatz „Freising bewegt Demokratie – Demokratie bewegt Freising" gewählt. Die Veranstaltungen waren bereits am 2. Oktober 2020 gestartet worden, also dem Datum, an dem sich die wiedererlangte Deutsche Einheit zum 30. Mal jährte. Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hatte zur Erinnerung an diesen historischen Tag einen Feldahorn beim Musikschul-Pavillon gepflanzt. Für Johanna Sticksel, Leiterin des Treffpunkts Ehrenamt, steht dieser Baum als Symbol dafür, dass Demokratie „wachsen und gedeihen muss“.

Apropos: Auch die Idee, Aktionen in der Nacht vor dem Tag der Deutschen Einheit auf die Beine zu stellen, breitete sich in der Freisinger Stadtgesellschaft allmählich aus. Initialzündung war ein Workshop während der Ehrenamtswoche 2019 zum Thema „Argumentationstraining gegen Stammtischparolen“ mit dem Koordinator des Netzwerks „Wertebündnis Bayern“, das auch Träger der „Langen Nacht der Demokratie“ ist.  Mit Kreisjugendring und Volkshochschule als obligatorische Kooperationspartner wuchs das Freisinger Bündnis insbesondere durch die Diskussionen während der Corona-Pandemie, in der die Demokratie besonders herausgefordert war: „Wir müssen was tun“, manifestierte sich als Überzeugung.

Wertvolle „Teaser“-Veranstaltungen

Nun ließ die Corona-Krise die für 2020 geplante lange Nacht nicht zu, dafür nutzten die organisierenden Einrichtungen und Vereine die Zeit, um sich mit dem Thema aus verschiedenen Richtungen zu befassen. Nach der symbolischen Baumpflanzung folgten monatlich unterschiedlichste Veranstaltungen: Es gab Aktionsstände, eine Stadtführung, Ausstellungen, digitale Vorträge und Diskussionen zu brandaktuellen Themen wie Pressefreiheit, Fake News, Menschenrechte, Zivilcourage, Bürgerbeteiligung oder Rassismus. Ganz persönliche Aussagen über die Bedeutung von Demokratie lieferte eine Fotoserie, an der sich Familien, Schulklassen, Privatpersonen und die Mitglieder des Stadtrats unter dem Motto „Ich bin dabei, …“ beteiligten. Mithilfe dieser „Teaser“ im Vorfeld gelang es, die Freisinger Stadtgesellschaft verstärkt zu sensibilisieren und zu interessieren.

Bunte Eröffnung

Und so waren am 2. Oktober 2021 Kinder und Jugendliche genauso wie Erwachsene bis zum Rentenalter unterwegs, um sich zu informieren, zuzuhören und sich auszutauschen, an Mitmach-Aktionen zu beteiligen, zu reflektieren und in der Gemeinschaft heitere wie ermutigende Momente zu erleben. Oberbürgermeister Tobias Eschenbacher hatte die lange Samstagnacht mit einem Dank an Treffpunkt-Leiterin Johanna Sticksel, die ehrenamtliche Mitarbeiterin Marita Hanold sowie mehr als 20 mitwirkende Partnerorganisationen am Marienplatz eröffnet. Dort wehten an der Fassade der Sperrer-Bank großformatige „Friedensbanner“ zu den Themen Demokratie, Verantwortung und Vielfalt, gestaltet von Jugendlichen während des Sommerferienprogramms mit Unterstützung der Künstler Marian Kretschmer und Pepito Anumu. Vor Ort malten dann Kinder wie Erwachsene begeistert an einem bunten Demokratiebanner unter der Anleitung von Pepito Anumu.

Im Gespräch bleiben

Neben vielen weiteren kreativen Angeboten stießen die Workshops und Vorträge auf großes Interesse. Die Domberg-Akademie hatte mit ihrem Argumentationstraining zu Verschwörungstheorien offenbar einen Nerv getroffen: Kein Stuhl blieb leer und nach dem Vortrag bewies die rege Diskussion, dass viele mit dem Problem in ihrem unmittelbaren Umfeld konfrontiert sind und sich meist hilflos fühlen. Ein zentraler Ratschlag: im Gespräch bleiben, die Person und deren Position voneinander trennen und versuchen, die Hintergründe für die Verschwörungsfantasien aufzuspüren.

In der Demokratie darf (fast) alles gesagt werden – und das wurde bei der von den Agenda21-Gruppen aufgebauten „Speakers Corner“ vor der Sparkasse zelebriert: Nach dem Vorbild des Versammlungsplatzes in London konnte hier Jede und Jeder seine Meinung unters Volk bringen. Das Angebot kam bei den aktiv Teilnehmenden wie dem Publikum bestens an – und weckte den Wunsch, dieses Format öfters aufzulegen.

Mitbestimmung von Kindern und Jugendlichen

Volles Haus auch im Furtnerbräu, wo der Arbeitskreis Jugendpolitik des Kreisjungendrings Freising das Thema „Kinder, geht wählen! Wahlalter senken?“ auf die Agenda gesetzt hatte. Da wurde durchaus kontrovers diskutiert: über den Reifegrad von Jugendlichen, deren Beeinflussbarkeit oder der Frage, ob sie überhaupt Interesse an einer Wahlbeteiligung haben. Einen möglichen Kompromiss sahen die Teilnehmenden darin, aktives und passives Wahlrecht zu trennen sowie Bundes-, Landes- und Kommunalebene separat zu betrachten.

„Wir reden mit!“ hieß es beim runden Tisch der kommunalen Kinderbeteiligung. Stadtjugendpflege und Meral Meindl gaben den Startschuss für eine neue Plattform, die junge Freisinger*innen über die „Lange Nacht“ hinaus ermutigen möchte, ihre Bedürfnisse und Wünsche vorzubringen. Gesammelt wurden schon mal Anliegen wie „Keine Autos in der Stadt“, „Einen ordentlichen Radweg zu den Schulen“ oder die Aufstellung eines lebensgroßen Bären am neuen Kreisverkehr an der Thalhauser Straße.

Kultureller Input

Auch die Kultur kam bei der Veranstaltung nicht zu kurz. Eine szenische Lesung zeigte spannend wie humorvoll die Anfänge der Demokratie in Bayern in den 1920er Jahren auf. Texte, Gedichte und Lieder beschäftigten sich mit dem „Frieden: das geschundene Wort“, gaben Denkanstöße, brachten zum Lachen und machten betroffen. In der Fischergasse wurde es trotz Dunkelheit heimelig und kunterbunt, nicht nur wegen der von der Offenen Behindertenarbeit der Lebenshilfe aufgehängten Lampions: Was Vielfalt für die Demokratie und Menschen bedeutet, spürten die Gäste bei Musik, Tanz, Theater und herzlicher Begegnung.

Mehrere Ausstellungen, Poetry-Slam-Texte zur Demokratie zwischen Lyrik, Rap und Comedy mit Jugendkulturpreisträger Philipp Potthast, Improtheater, geschichtliche Führungen, ein witziges Pub-Quiz oder die beeindruckende Videoprojektion an der Rathaus-Fassade des Additums Kunst Q12 des Camerloher-Gymnasiums: Das Angebot war gleichermaßen geistreich, originell und anregend.

Fortsetzung erwünscht

Mit der „Langen Nacht der Demokratie“ ist es den veranstaltenden Gruppen gelungen, Menschen jeden Alters für die Demokratie zu begeistern und die Generationen auf Augenhöhe im Diskurs zu verbinden. Das unterstreichen die Reaktionen, die bei den Gästen direkt und bei einer Online-Befragung eingesammelt wurden.

„Toll, dieses wichtige Thema auf so unterschiedliche Weise aufzugreifen – so war für alle etwas dabei.“

„Die Diskussionen waren durchwegs angeregt und ein richtiges Highlight.“

Besonders gelobt wurden die Stimmung, die offene Kommunikation und die Vielfalt der Formate. Mehr als 90 Prozent, so das Umfrageergebnis, wünschen sich eine Neuauflage der Veranstaltung. Die Antworten zeigen allerdings auch auf, dass noch viel zu tun ist. Oder, wie es der Poetry Slammer Philipp Potthast bei seinen Auftritten formulierte: Die Geschichte der Demokratie ist noch nicht zu Ende, denn da ist noch Luft nach oben.

Online gibt es einen Rückblick auf den Veranstaltungsreigen mit vielen Fotos hier auf der Webseite.

Johanna Sticksel, Leiterin des Treffpunkts Ehrenamt der Stadt Freising, ist eine der Hauptinitiatorinnen und hat die „Lange Nacht der Demokratie“ federführend mitorganisiert. Ihre Motivation für die Durchführung der Veranstaltung, die sie hier beschreibt, steht für die Beweggründe vieler Mitwirkender:

Demokratie und bürgerschaftliches Engagement – das sind für mich zwei Dinge, die zusammengehören. Deshalb habe ich mich auch "zuständig" gefühlt. Wenn Menschen sich für unser Gemeinwesen stark machen, egal ob beim Katastrophenschutz, in der Hospizbewegung oder im Naturschutz, hat das auch immer einen Einfluss auf die Art, wie wir zusammenleben, und zeigt oft Problemfelder auf. Es ermöglicht dem/der Einzelnen, etwas zu verändern: im Kleinen, aber in der Summe durchaus mit politischen Auswirkungen. Die Hospizbewegung ist da ein schönes Beispiel, Fridays for future und ebenfalls unsere aktiven Agenda-Gruppen.

Ich war wie viele andere auch beunruhigt, wie stark aus manchen Ecken unser demokratisches System auf sehr destruktive Art in Frage gestellt wird. Das Gefühl, nichts tun zu können, aber auch die Gleichgültigkeit mancher ist toxisch für ein demokratisches Gemeinwesen und ein Nährboden für Demagogie. Demokratie ist für mich auch nichts, was fix und fertig ist. Es ist ein Weg, eine Baustelle, die wir immer wieder verbessern und mit Leben füllen können.

Probleme anzusprechen, den Reichtum der Möglichkeiten aufzuzeigen und die Demokratie zu feiern, weil wir da einen wunderbaren Schatz haben, den wir bewahren und pflegen müssen: Das war die Idee für die "Lange Nacht". Und ich glaube, das haben ganz viele auch so gesehen. Deshalb wurde die Aktion immer größer und ist auf so reges Interesse gestoßen. Ich hoffe, dass wir zusammen – Vereine, Organisationen, interessierte Menschen aller Generationen – solche demokratischen Momente auch in Zukunft leben und erleben können.


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