10 Jahre Fairtrade-Stadt Freising

Bewusstsein schaffen und lokal handeln für eine gerechtere Welt

Thema des Monats: Juli/August 2021

Unterstützen Sie es, dass bei der Produktion von Waren eine gerechte Bezahlung, soziale und ökologische Standards oder auch ein Verbot von Kinderarbeit gelten? So ziemlich Jede*r von uns würde diese Frage bejahen. In der Praxis sieht das beim täglichen Einkauf oft anders aus, auf diese eigentlich selbstverständlichen Kriterien wird aus verschiedensten Gründen nicht oder noch zu wenig geachtet. Das möchte Freising ändern und setzt sich daher als Fairtrade-Stadt seit vielen Jahren für faire Handelsbeziehungen ein.

Bereits 2009 beschloss der Stadtrat, sich um den Titel „Fairtrade-Stadt“ zu bewerben. Dabei ging es ihr nicht um ein weiteres werbewirksames Prädikat, sondern vielmehr darum, in der Bevölkerung, der Wirtschaft, bei Behörden und Verbänden das Bewusstsein für fairen Handel zu wecken und zu stärken. Am 29. Juni 2011 war es soweit: Freising wurde von der Siegel-Organisation „Transfair e.V.“ bei einem kleinen Fest ganz offiziell zur „Fairtrade-Town“ ernannt – damals die 45. in Deutschland. Seither engagiert sich die Kommune mit einer zunehmenden Zahl von lokalen Akteur*innen dafür, durch Aufklärung und konkretes Handeln das Leben der an der Produktion beteiligten Menschen und Familien in den Anbauländern zu verbessern.

Vorbild sein

Die Initiative für eine Bewerbung als Fairtrade-Stadt war vom Verein „Partnerschaft für Eine Welt e.V.“ ausgegangen, der auch Träger des Weltladens ist. Um das Siegel zu erhalten, waren fünf Kriterien zu erfüllen. Beispielsweise mussten bei allen Sitzungen der Stadtratsgremien und im Büro des Oberbürgermeisters Fairtrade-Kaffee und ein weiteres Produkt aus fairem Handel zum Einsatz kommen. Es galt, eine lokale Steuerungsgruppe zu bilden und in öffentlichen Einrichtungen Fairtrade-Produkte zu verwenden.

Mit der Auszeichnung vor zehn Jahren fing der Prozess aber erst an. Heute ist es in der kommunalen Verwaltung Standard, Kaffee, Tee, Saft und Limonade oder auch Zucker und Süßwaren aus fairer Herstellung zu verwenden. Konsumiert werden diese bei internen Terminen, (öffentlichen) Sitzungen, Empfängen und Veranstaltungen. Ebenfalls werden faire „Give aways“ verschenkt und Präsentkörbe mit fairen Produkten bestückt. Dafür hatte die Stadt eigens eine faire Schokolade fertigen lassen, die zwar nicht mehr erhältlich ist, eine Neuauflage der „Freisinger Schokoladenseiten“ ist aber im Gespräch.

Vorbild sein und Zeichen setzen: Dieses Anliegen wurde auch beim Beschluss des Stadtrats 2012 deutlich, keine Produkte ausbeuterischer Kinderarbeit zu erwerben. Im April 2021 unterstützten die Stadträte eine Resolution „Kommunen für ein starkes Lieferkettengesetz in Deutschland“, die sich gegen eine Aufweichung der Haftungsregelungen wandte. In dem mittlerweile vom Bundestag beschlossenen Gesetz geht es darum, den Schutz der Menschenrechte in globalen Lieferketten zu verbessern, wofür auch Unternehmen in Deutschland Verantwortung tragen.

Nachhaltige Beschaffung

Die Stadt baut nicht nur sukzessiv den Bezug fair gehandelter Produkte aus, sondern möchte grundsätzlich bei der Beschaffung nachhaltige und faire Grundsätze berücksichtigen. Schließlich besitzt Freising als öffentlicher Auftraggeber ein bedeutendes wirtschaftliches Potenzial und sieht sich auch in einer Vorbildrolle beim Kauf von Produkten, die unter menschenwürdigen Arbeitsbedingungen hergestellt werden. Daher läuft gerade bei „Engagement Global“, einer gemeinnützigen Servicegesellschaft für Entwicklungsinitiativen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, ein Förderantrag auf eine Personalstelle zur „Koordination und Umsetzung entwicklungspolitischen Engagements in Kommunen“. Diese Kraft soll innerhalb der Stadtverwaltung die globale nachhaltige Beschaffung entscheidend vorantreiben.

Faires Forum

Eine der wichtigsten Säulen für die Förderung des fairen Handels sind die gesellschaftlichen Gruppen in Freising, Sie erfüllen den fairen Gedanken auf vielfältige Weise mit Leben. Der frühere Lenkungskreis für die Bewerbung als Fairtrade-Town hat sich im „Fairen Forum“ organisiert, eine für alle Interessierte offene Agenda-Gruppe.  Vertreter*innen aus Politik, Wirtschaft, Bildungseinrichtungen, Kirche und kulturellen Organisationen arbeiten an einem Ziel: Die ethischen Folgen unseres Konsumverhaltens deutlich zu machen und die Idee des fairen Handels in der Freisinger Bevölkerung zu verankern.

Zahlreiche Aktivitäten befördern dieses zentrale Anliegen: Regelmäßige Veranstaltungen wie die „Faire Woche“, Aufklärungskampagnen, Vorträge, Filmvorführungen oder Kulturevents werden organisiert. Die Blicke zogen Mitglieder des Fairen Forums und des Weltladens jüngst als verkleidete Osterhasen auf sich, als sie mit Plakaten bestückt für faire Schokolade im Osternest mit solchen Sätzen warben: „Augen auf beim Schokokauf – faire Einkommen für Kakaobäuer*innen!“ oder „Wer morgen noch Schokolade essen will, muss heute Kakaobäuer*innen angemessen bezahlen!“

Nicht nur bei Lebensmitteln geht es um eine faire Produktion. Die öffentlich vielbeachtete Kampagne „Fair Play: Freising bringt den Ball ins Rollen!“ machte während der Fußball-WM 2018 auf die Produktionsbedingungen von Bällen aufmerksam. Schulen und Vereine konnten fair produzierte und gehandelte Freizeit- und Wettkampfbälle testen.

Ein Hingucker war die Modenschau „Global Mamas“ (2019): Auf dem Laufsteg waren bunte, wunderschöne Kleider aus Ghana zu sehen. Anschließend wurde in einem Vortrag berichtet, wie das Label ghanaische Frauen finanziell unabhängig macht und zudem Gelder in ein eigenes Gesundheitsprogramm sowie die Weiterbildung der Frauen fließen.

Kooperation der Agenda-Gruppen

Auch immer mehr Freisinger Geschäfte greifen das Thema auf, wie der 2016 herausgegebene Einkaufsführer „Nachhaltig leben in Freising: regional – ökologisch – fair“ dokumentierte.  Der leider vergriffene Einkaufskompass soll mittelfristig neu aufgelegt werden. In dem Prospekt waren natürlich Fairtrade- Einkaufsmöglichkeiten aufgeführt und zusätzlich regional und ökologisch erzeugte Produkte.

Nicht nur bei diesem Projekt wurden Aspekte der ökologischen Landwirtschaft oder des Klima- und Umweltschutzes aufgegriffen. Bei mehreren Aktionen hat das Faire Forum mit den Kolleg*innen der Agenda-Gruppen „Biostadt“ und „Energie und Klimaschutz“ kooperiert. So stand zum Beispiel die Faire Woche 2018 unter dem Motto „Klimaschutz trifft fairen Handel“. Schließlich ist der Klimawandel die größte Herausforderung des 21. Jahrhundert, von der besonders die Länder des globalen Südens betroffen sind und der zunehmend die Lebensgrundlagen von Fairtrade-Produzent*innen gefährdet. Dabei sind diese Länder nicht die Hauptverursacher des Klimawandels. Die Klimakrise ist also ungerecht. Fairtrade möchte genau hier ansetzen und aufzeigen, dass Handels- und Klimagerechtigkeit zusammengehen können.

Fairtrade macht Schule

Junge Menschen für ein verantwortungsvolles Konsumverhalten zu sensibilisieren, gehört zu den weiteren Schwerpunkten der Bildungsarbeit des Fairen Forums. Besonders Schulen kommt bei der Verbreitung des Fairtrade-Gedankens eine wichtige Rolle zu. Bei einem großen Informationstag 2016 konnten sich Lehrer*innen viele Anregungen aus der Praxis holen – auch bei Schüler*innen des Camerloher-Gymnasiums: Es war 2013 als erste Freisinger Schule zur „Fairtrade-School“ ernannt worden. Mittlerweile haben sich alle Gymnasien und Realschulen der Domstadt erfolgreich um diese Auszeichnung bemüht, engagieren sich das ganze Schuljahr hindurch mit Aktionen für gerechten Handel und bieten einen fairen Pausenverkauf an.

Blick über den Tellerrand

Die Stadt unterstützt die Aktivitäten des Fairen Forums finanziell und logistisch. Erfreulich ist, dass der Markt für faire Produkte und das Bewusstsein für einen fairen Welthandel wachsen. Immer mehr Menschen interessieren sich dafür, was am anderen Ende der Lieferkette passiert. Dafür will sich die Stadt mit allen Akteur*innen weiterhin einsetzen und unterstützt dabei zum Beispiel die Bewerbung der Metropolregion München als „Fair Trade Metropolregion“: Durch die überregionale Zusammenarbeit könnte das Engagement einzelner Kommunen noch besser sichtbar gemacht werden, was zur Bewusstseinsbildung in der Gesellschaft beiträgt.

Aktuell hat sich auch Freising wieder beworben: Es ging um die Erneuerung des Titels als „Fairtrade-Town“. Das Prädikat ist nämlich kein Selbstläufer. Alle zwei Jahre muss nachgewiesen werden, dass eine Liste von Kriterien erfüllt ist. Groß ist die Freude, dass die Zertifizierung erfolgreich war und Freising pünktlich zum 10. Jubiläum die Urkunde bei einer kleinen Feier zeigen kann.

Der Titel ist eine schöne Bestätigung für den Einsatz der Stadt und des Fairen Forums. Noch wichtiger ist es, einen Beitrag zu einer besseren, gerechten Welt zu leisten.

Machen Sie mit

Hier auf unserer Webseite können Sie sich über die Fairtrade-Stadt Freising und die Aktivitäten des Fairen Forums informieren. Die Termine der Treffen veröffentlichen wir ebenfalls auf unserer Webseite. Bei Interesse an einer Mitarbeit im Fairen Forum können Sie sich auch jederzeit per E-Mail an die Koordinationsstelle wenden unter fairtrade@freising.de.


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