Januar 2020 - Denkmalprojekt für König Ludwig II. in Freising (1906/07)

König Ludwig II. (1845-1886, reg. seit 1864) gilt heute unbestritten als der populärste Herrscher Bayerns. Seine komplexe Persönlichkeit, die große Zahl an außergewöhnlichen Bauunternehmungen und nicht zuletzt auch sein unter bis heute ungeklärten Umständen erfolgter Tod im Starnberger See üben auf eine breite nationale wie internationale Öffentlichkeit eine enorme Faszination aus. Tatsächlich setzte diese besonders intensive Popularität um die Person Ludwigs II. erst nach seinem Tod 1886 ein, zu seinen Lebzeiten wurde ihm insgesamt nicht mehr (und nicht weniger) Aufmerksamkeit zuteil als seinen Vorgängern.

Als beliebte Form der Erinnerungskultur etablierte sich in den Jahren nach dem Tod des Königs zunächst vor allem die Errichtung von Denkmälern. Es verging kaum ein Jahr, an dem nicht irgendwo im Königreich eine Statue, eine Büste, ein Medaillon oder eine Gedenktafel für Ludwig II. enthüllt wurde. Erst mit dem Ende der Monarchie in Bayern 1918 erlahmte das Interesse. Einen neuen Aufschwung gab es für Ludwig-II.-Denkmäler dann erst wieder in den 1960er Jahren.

Jener ersten Phase der Errichtung von Ludwig-II.-Denkmälern ist ein entsprechendes Projekt in Freising zuzuordnen. Im Stadtarchiv hat sich eine Akte mit einer überschaubaren Korrespondenz, einer Planskizze und drei Fotografien, die das Gipsmodell des projektierten Denkmals zeigen, erhalten. Die Initiative zur Errichtung eines Freisinger Ludwig-II.-Denkmals ging demnach vom „Verein zur Erbauung eines Monumentes für Weiland König Ludwig II. in Freising“ aus. Dieser war am 17. September 1904 gegründet worden und hatte bis 1906 einen Mitgliederstand von 192 Personen erreicht. Derartige Vereine waren im Fall der Ludwig-II.-Denkmäler als Initiatoren und Projektträger nicht ungewöhnlich, sondern eher die Norm.

Als Standort für das neue Denkmal kristallisierte sich nach einiger Zeit ein Grundstück heraus, das am unteren Teil der Haindlfinger Straße (seit 1910 „Prinz-Ludwig-Straße“) lag, inmitten des damals sogenannten „Villenviertels“. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts schossen hier zahlreiche stattliche Häuser aus dem Boden, die in der Regel vom wohlhabenderen Teil der Stadtbevölkerung bewohnt wurden. Die meisten Grundstücke im Bereich des neuen Stadtviertels und so auch dasjenige, auf dem das Denkmal entstehen sollte (nachmals Anwesen Deutingerstraße 2, nördlich des Finanzamtes), gehörten dem Baumeister und Ziegeleibesitzer Alois Steinecker. Nachdem dieser der vorgesehenen Nutzung seine Zustimmung gegeben hatte, beauftragte der Verein den Freisinger Bildhauer und Steinmetzmeister Josef Franz mit der Fertigung von Gipsmodellen, die eine Vorstellung vom Königsdenkmal geben sollten (siehe Abb.).

Für den Denkmal-Entwurf waren stattliche Ausmaße vorgesehen: Ein mehrere Meter breiter Unterbau aus Muschelkalkstein samt einem vorgelagerten steinernen Podest, darüber die rund 2,5 Meter hohe Figur aus Untersberger Marmor. Der König wurde hier im Ornat des bayerischen St.-Georgs-Ritterorden dargestellt. Vor dem Denkmal sah man die Anlage zweier Rabatten sowie die Bepflanzung mit Hecken und Parkbäumen vor.

Insgesamt hätte die Realisierung gemäß dem Kostenvoranschlag des Bildhauers Franz rund 10.000 Mark gekostet, eine gewaltige Summe für ein Projekt, dessen Finanzierung ausschließlich über Spenden erfolgen sollte (zum Vergleich: Das 1904 bis 1911 errichtete und aufwändig ausgestattete Freisinger Rathaus kostete knapp 220.000 Mark). Letztlich überforderten diese enormen Kosten den Verein. Bis Mai 1907 hatte er über die Hälfte seiner Mitglieder verloren, was der Vorsitzende, Notariatsbuchhalter Isidor Prantl, damit erklärte, dass „durch die nur langsam fortschreitende Ansamlung [sic] von Beiträgen der Endzweck des Vereines sich erst in einer Zeit erreichen ließe, zu welcher die meisten der zahlreichen Mitglieder sich nicht mehr am Leben befinden.“ Im Juli 1907 erklärte man den Verein schließlich für aufgelöst. Die Errichtung eines Freisinger Denkmals für König Ludwig II., mit welchem die Stadt Freising laut dem damaligen Bürgermeister Stephan Bierner ihre „Anhänglichkeit an [ihr] hohes Herrscherhaus“ hätte demonstrieren können, war damit gescheitert.

Autor: Florian Notter
QUELLEN: StadtAFS, Akten II, o. Sign.
WEITERFÜHRENDE LITERATUR: Schulze, Dietmar: Ludwig II. Denkmäler eines Märchenkönigs (Schriftenreihe des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege 2), München 2011.

Februar 2020 - Baulinienplan für die neue Siedlung am Goldberg (1919)

Der Mangel an Wohnraum insbesondere für mittlere und untere Einkommensschichten gehörte am Beginn des 20. Jahrhunderts zu den drängendsten Problemen Freisings. Die Stadtbevölkerung wuchs kontinuierlich: von 12.557 Einwohnern im Jahr 1906 auf 15.374 Einwohner im Jahr 1920 und auf 19.456 Einwohner im Jahr 1939 (inklusive des 1937 eingemeindeten Dorfes Vötting). Die Ursachen für das Wachstum speziell in Freising sind bislang nicht untersucht worden, jedoch ist anzunehmen, dass sich hier vor allem ein (vergleichsweise später) lokaler Industrialisierungsschub bemerkbar machte. Ab 1914 dürfte die innerhalb einiger Betriebe vollzogene Umstellung auf eine kriegsrelevante Produktion den Zuzug zusätzlich verstärkt haben. Fabriken wie Steinecker (gegr. 1875), Feller (gegr. 1906) oder die beiden Schlüter-Fabriken (gegr. 1911 bzw. 1915/17) – um nur die größten zu nennen – beschäftigten gegen Ende des Ersten Weltkriegs einem vorsichtigen Überschlag zufolge etwa 2.500 bis 3.000 Arbeiter (genaue Angaben sind wegen jährlich großer Schwankungen nicht möglich).

Nicht Schritt halten mit dieser dynamischen Entwicklung konnte der Haus- und Wohnungsbau. Zwar haben sich Verantwortliche schon im Lauf des 19. Jahrhunderts vermehrt Gedanken darüber gemacht, wie eine Freisinger Stadterweiterung aussehen könnte, besonders deutlich etwa im Rahmen des „General-Baulinienplans“ von 1875. Mit Ausnahme der Errichtung des „Villenviertels“ nördlich der Kernstadt (für überwiegend höhere Einkommen) gab es jedoch keine nennenswerten Initiativen. Als sich der Wohnraummangel während des Ersten Weltkriegs verschärfte, rückte die Stadtpolitik um Bürgermeister Stephan Bierner das Thema auf der politischen Agenda weit nach oben. So trat die Stadt Freising etwa der im Juli 1917 ins Leben gerufenen „Bayerischen Landessiedlungsgesellschaft“ als Gründungsmitglied bei. Ziel dieser Gesellschaft war der Ankauf und die Weitervermittlung (unter günstigen Konditionen) an Personen mit niedrigerem Einkommen.

Konkrete Pläne, in Freising eine Siedlung für mittlere und untere Einkommen zu errichten, finden sich erstmals im Mai 1918. Schon zu diesem Zeitpunkt war das „dem Staatsgute Weihenstephan gegenüber“ gelegene Areal dafür in Betracht gezogen worden. Als Form der Trägerschaft für die neue Siedlung wurde das genossenschaftliche Modell gewählt: eine gemeinnützige Vereinigung, die mit Hilfe günstiger öffentlicher Kredite für ihre Mitglieder preiswerten Wohnraum schafft. Dafür wurden im Februar 1919 zwei Freisinger Baugenossenschaften gegründet: am 3. Februar 1919 der „Bauverein Freising“ und am 15. Februar 1919 die „Allgemeine Baugenossenschaft“. Im Frühjahr 1919, inmitten der letzten revolutionären Wirren, wurden die Pläne für die Siedlung entworfen. Bevor man an die Baupläne der einzelnen Häuser ging, musste zunächst die Struktur der Siedlung festgelegt werden. Ein Baulinienplan, der vom 10. April 1919 datiert und den Stempel des Freisinger Baugeschäftes Alois Steinecker trägt, zeigt den festgesetzten Straßenverlauf (vgl. Plan-Ausschnitt auf Abb.): unten die heutige Schönmetzlerstraße, rechts die Wippenhauser Straße, dazwischen die teils kurvenreichen neuen Straßen, deren Anlage noch 1919 abgeschlossen war. Sie erhielten die Namen Möhlestraße (neue Straße unten), Mozartstraße (neue lange und gerade Straße oben); Ringstraße (neue stark gekurvte Straße, ab 1946 Ferdinand-Zwack-Straße); Heinestraße (neue kurze Straße links von der Ringstraße). Alle weiteren geplanten Straßen (links außen und oben) wurden nicht realisiert. Nur mit Bleistift skizziert wurde auf dem Plan die Lage der projektierten Siedlungshäuser.

Das südlich des Bauareals, zur Thalhauser Straße hin gelegene Gelände, das bereits seit Mitte des 19. Jahrhunderts bebaut worden war, hieß „Goldberg“, der Straßenname der Schönmetzlerstraße lautete bis 1919 „Am Goldberg“. Dieser markante Name, der um 1850/60 aufgekommen ist und zu dessen Bedeutung es bis jetzt keine ganz einwandfreie Erklärung gibt, erstreckte sich bald auch auf die neue, baugenossenschaftliche Siedlung. Goldberg – so heißt der Stadtteil bis heute.

Autor: Florian Notter
QUELLEN: StadtAFS, Akten zur Allgemeinen Baugenossenschaft Freising, 1919-1941 (o. Sig.); ebd., Zeitungssammlung, Freisinger Tagblatt 1917, 1918, 1919, 1920.

März 2020 - Karikatur zum Freisinger OB-Wahlkampf 1958

Am Sonntag, 23. März 1958, fand in Freising turnusgemäß eine Oberbürgermeisterwahl statt. Nach derjenigen vom 30. März 1952 war dies erst die zweite Wahl, bei der der Oberbürgermeister von der wahlberechtigten Stadtbevölkerung direkt gewählt werden konnte. Vor Inkrafttreten der (bis heute gültigen) Bayerischen Gemeindeordnung im Januar 1952 war das Gemeinde- bzw. Stadtoberhaupt in Bayern ausschließlich vom Gemeinde- bzw. Stadtrat bestimmt worden.

Die Freisinger Oberbürgermeisterwahl von 1958 war darüber hinaus die erste Direktwahl, bei der es mehrere Kandidaten gab. Sechs Jahre zuvor war Amtsinhaber Max Lehner noch der einzige Kandidat gewesen und – wenig überraschend – mit großer Mehrheit wiedergewählt worden. Lehner, der als Rechtsanwalt während der NS-Zeit jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger verteidigt hatte und deshalb schwere persönliche Drangsale über sich ergehen lassen musste, war seit 1948 Oberbürgermeister. Die ersten zehn Jahre seiner Amtszeit waren vorwiegend von den spezifischen Problemen der Nachkriegszeit gekennzeichnet: von Wohnungs- und Versorgungsmangel, von Arbeitslosigkeit und von der Integration der aus den Ostgebieten geflohenen oder vertriebenen Deutschen. Nun, 1958, musste sich Max Lehner, der zeitlebens keiner politischen Partei angehörte, jedoch in aller Regel auf die Unterstützung der CSU und der Bayernpartei zählen konnte, zwei Herausforderern stellen.

Der erste, der seinen Hut in den Ring warf, war Josef Maisch von der Freisinger SPD. Maisch, ein gebürtiger Münchner, unterrichtete Mathematik und Physik am Domgymnasium und an der Oberrealschule (nachmals Josef-Hofmiller-Gymnasium). Als Mitglied des Stadtrats verfügte er über mehrjährige kommunalpolitische Erfahrung.

Ähnlich gut gerüstet gewesen sein dürfte auch der zweite Herausforderer Lehners: Hans Hofmann von der Freisinger FDP. Hofmann, gebürtig aus Niedermirsberg (Oberfranken), war mehrere Jahre lang 2. Bürgermeister und damit (ehrenamtlicher) Stellvertreter des Oberbürgermeisters. Zusammen mit seiner Frau betrieb Hans Hofmann, der in Weihenstephan Landwirtschaft studiert hatte, das seinerzeit sehr bekannte Café Fraunhofer in der Oberen Stadt.

Wie aus der Presseberichterstattung der beiden damaligen Freisinger Lokalzeitungen, dem Freisinger Tagblatt und der (bis 1968 bestehenden) Freisinger Zeitung, hervorgeht, entwickelte sich der OB-Wahlkampf 1958 insgesamt recht lebhaft. Der Amtsinhaber war unerwartet deutlicher Kritik ausgesetzt und sah sich mehrmals gezwungen, zu reagieren. Zuletzt kam es verschiedentlich auch zu unfairen Aktionen, wie es etwa ein im ganzen Stadtgebiet verbreitetes Flugblatt bezeugt, das sich mit schweren persönlichen Anschuldigungen gegen einen der Kandidaten richtete.

In der Wochenendausgabe vom 22./23. März 1958 veröffentlichte die Freisinger Zeitung zur unmittelbar bevorstehenden Wahl eine Karikatur aus der Feder des Karikaturisten Dieter Hanitzsch; ein partiell koloriertes Exemplar hat sich im Stadtarchiv Freising innerhalb einer Sammlung von Zeitungsausschnitten zur Amtszeit Lehners erhalten (vgl. Abb.). Das karikierte Ambiente steht unter dem Motto „Wahl des Mr. Freising“ und zeigt die drei Bewerber auf einer Bühne, wie sie sich vor ihren Wählern in Szene setzen. Unterschiedliche Attribute, die die Kandidaten in Händen halten oder die zu ihren Füßen stehen, stellen in zugespitzter Art und Weise besondere persönlichen Eigenheiten heraus. Links ist Max Lehner als schmächtiger Mann mit übergroßem Kopf dargestellt, der – ausgestattet mit Schreibfedern, Tintenfass und Paragraphenzeichen auf dem Umhängeschild – den schöngeistigen, juristisch versierten, „feinen“ Bildungsbürger verkörpern soll. Bodenständiger ist Herausforderer Hans Hofmann karikiert: Er, der „eisenharte“ Geschäftsmann, sucht den direkten Kontakt zur Wählerschar, der er jovial zuwinkt; der Bierkrug zu seinen Füßen trifft seine Profession als Cafetier jedoch nicht ganz. Scheinbar vergeblich lässt rechts der Kandidat der SPD, der „Rechner“ Josef Maisch, die (nicht vorhandenen) Muskeln spielen; der Abakus in seiner linken Hand karikiert seine Tätigkeit als Mathematiklehrer.

Die Wahl am 23. März 1958 brachte schließlich folgendes Ergebnis: Max Lehner: 48,98 %; Hans Hofmann: 28,4 %; Josef Maisch: 22,6 %. Die Stichwahl am 30. März 1958 entschied Max Lehner mit 57 % für sich (gegen 43 % für Hans Hofmann).

Autor: Florian Notter
QUELLEN: StadtAFS, Akten IV, Gr. 0250 (OB-Wahl 1958); ebd., Gr. 0251 (OB Lehner); ebd., Druckschriftensammlung, Parteien (Wahldruckschriften 1958); ebd., Zeitungssammlung, Freisinger Tagblatt, März 1952 u. 1958, sowie Freisinger Zeitung, März 1958. Besonderer Dank gilt Dieter Hanitzsch, München, der uns die Erlaubnis zur Veröffentlichung der Karikatur gegeben hat, sowie Norbert Zanker, Freising, für Informationen rund um die OB-Wahl 1958.

April 2020 - Begrüßung des neuen Erzbischofes Joseph Ratzinger (1977)

2006 besuchte Papst Benedikt XVI. seine Heimat Bayern. Im Mittelpunkt seiner Reise standen dabei Orte, die für sein bisheriges Leben und Wirken besondere Bedeutung hatten. Dazu gehörten neben Altötting und seinem Geburtsort Marktl am Inn, Regensburg als Ort seiner universitären Lehre und München als Sitz seines früheren Erzbistums, auch die alte Bischofsstadt Freising. Hier hatte Joseph Ratzinger sein Theologiestudium absolviert und seine akademische Laufbahn begonnen. Bei seinem Besuch am 14. September 2006 empfingen die Bürgerinnen und Bürger den Papst, als er auf dem Weg zum Festgottesdienst im Dom durch die Altstadt fuhr.   

Vielleicht fühlte sich Benedikt XVI. bei dieser Fahrt erinnert an den 24. Juni 1977. Dies war der Tag, an dem Joseph Ratzinger Freising das erste Mal als neuer Erzbischof von München und Freising besuchte. Zuvor hatte er bereits mit dem für die Region zuständigen Weihbischof Heinrich von Soden-Fraunhofen andere Gemeinden im Landkreis, wie etwa Neufahrn, besucht. Am Abend wurde er in der alten Domstadt Freising festlich empfangen. Zur Begrüßungsfeier auf dem Marienplatz kamen rund 6.000 Bürgerinnen und Bürger zusammen.

Eine Fotografie aus der Fotosammlung des Stadtarchivs Freising hält dieses Ereignis fest. (vgl. Abb.). Sie zeigt den neuen Erzbischof in Begleitung verschiedener politischer und geistlicher Amtsträger: Oberbürgermeister Adolf Schäfer (links) und Stadtpfarrer Walter Brugger (rechts), in der zweiten Reihe Vizelandrat Gottfried Weiß, Domrektor Michael Höck, und Landrat Ludwig Schrittenloher und in der dritten Reihe der erzbischöfliche Sekretär Erwin Obermeier sowie Weihbischof Heinrich Graf von Soden-Fraunhofen. Gemeinsam schreitet die Gruppen den Marienplatz hinauf, vorbei an dicht gedrängt stehenden Bürgerinnen und Bürgern. Ziel war ein Podest, das vor dem Laubenbräu aufgebaut worden war. Dort hielten Oberbürgermeister Schäfer und Stadtpfarrer Walter Brugger kurze Begrüßungsansprachen. Musikalisch umrahmt wurde die Feier durch Musiker der Chorgemeinschaft St. Georg unter Leitung von Diethart Lehrmann sowie durch Musiker der städtischen Sing- und Musikschule.

Ratzinger selbst ging in einer kurzen Ansprache auf die Bedeutung Freisings als Herz für das Erzbistum ein und würdigte die Stadt als einen Ort, an dem sich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft berührten. Die freudige Stimmung, die an jenem Frühsommer-Abend auf dem Marienplatz herrschte, gibt ein Pressebericht der Landkreisausgabe der Süddeutschen Zeitung wieder (27.06.1977, hier ein Auszug): „Beifall brandete auf, als der neue Erzbischof auf den „ungebrochenen Rang der alten Bischofsstadt Freising“ hinwies, die sich heute erneut als „Herz inmitten des Erzbistums“ bestätigt habe. „Freising ist nach wie vor Bischofsstadt, der Dom neben der Liebfrauenkirche in München die Kathedrale der Erzdiözese“. Ratzinger versicherte, er werde alles in seinen Kräften Stehende tun, um die geschichtliche Bedeutung der Bischofsstadt Freising, „dieser Heimstätte des Glaubens und der Kultur“ zu erhalten und zu bewahren. Er erinnerte ferner an die vielen persönlichen Bezugspunkte zu dieser Stadt, in der er als Studierender und Lehrender so viele Jahre zusammen mit seinen Eltern geweilt habe. Er, so versicherte er unter dem Jubel der Zuhörer, fühle sich als Freisinger.“ 

Autor: Matthias Lebegern
QUELLEN: StadtAFS, Altregistratur nach 1945, Nr. 04700244; ebd., Fotosammlung, Nr. 3996; ebd., Zeitungssammlung, Freisinger Süddeutsche Zeitung, 27.06.1977.
LITERATUR:
Benker, Sigmund: Papst Benedikt XVI. und Freising. Die Lebenserinnerungen Joseph Kardinal Ratzingers kommentiert von einem Zeitgenossen, in: Götz, Ulrike (Hg.): 39. Sammelblatt des Historischen Vereins Freising, Freising 2006, S. 11-25.
Hamberger, Joachim (Hg.): Papst Benedikt XVI. in Freising, Freising 2007.

Mai 2020 - Fassadenaufriss zum Stadtbrunnhaus am Wörth (1844)

Wer sich im kleinen Freisinger Stadtteil Wörth auf die Suche nach historischen Gebäuden macht, der wird nicht mehr allzu viele finden. Die wenigen und meist schlecht erhaltenen Häuser aus früheren Jahrhunderten wurden im Zuge der Neubebauung des Wörths in den späten 1980er und 1990er Jahren bis auf wenige Ausnahmen abgebrochen. Ein stadtgeschichtlich ganz besonderes Gebäude hat hier jedoch die Zeiten überdauert: das historische Stadtbrunnhaus, das an beziehungsweise über der Wörthmoosach steht. Als Mittelpunkt eines der vier historischen Wasserversorgungssysteme Freisings versah es etliche (aber bei Weitem nicht alle) Bürgerhäuser mit fließendem Wasser.

Die Wasserversorgungstechnik, wie sie in Europa seit dem Spätmittelalter und besonders während der Frühen Neuzeit in Gebrauch war, basierte auf einer Kombination aus einem wasserradbetriebenen Pumpwerk und einem mehrere Meter in der Höhe befindlichen Wasserspeicher. Das Wasser, das aus einem Tiefbrunnen gepumpt wurde, wurde im Speicher gesammelt; durch das Gefälle des in der Höhe gelegenen Speichers konnte ein ausreichender Druck erzeugt werden, um schließlich ein weitverzweigtes Leitungsnetz mit Wasser zu speisen. Diese Methode lag auch den vier Freisinger Wasserversorgungssystemen zugrunde. Neben dem Versorgungssystem des Stadtbrunnhauses am Wörth, das sich, wie der Name verrät, im Besitz der Stadtkommune befand, gab es noch die beiden fürstbischöflichen Versorgungssysteme mit den Zentren im Hofbrunnhaus an der Brunnhausgasse beziehungsweise im Seminarbrunnhaus an der Brennergasse sowie dasjenige des Domkapitels im Kapitelbrunnhaus am Sondermüllerweg.

Das Leitungssystem, das vom Wasserspeicher des Stadtbrunnhauses wegführte, erstreckte sich entlang der Hauptstraße, bis zum fast einen Kilometer entfernten Ende der Unteren Stadt. Die Leitungen bestanden zunächst aus Holzdeicheln, wurden aber, um dem Frost zu trotzen, nach und nach durch Bleideicheln ersetzt – sicher nicht zum Besten der Gesundheit der Verbraucher. Zu den Hauptabnehmern gehörten die bürgerlichen Brauereien, die das Wasser zum Bierbrauen benötigten. Für die Wasserabgaben mussten der Stadt jährliche Gebühren bezahlt werden.

In den Jahren 1839/40 wurde das Stadtbrunnhaus von Grund auf neu errichtet, da der Vorgängerbau von 1721 baufällig geworden war. Den Auftrag, das Brunnenwerk zu entwerfen, erhielt Sebastian Haindl, Professor für Maschinenkunde und Maschinenzeichnung an der polytechnischen Schule (heutige TUM) in München. Wer der Architekt des Gebäudes war, ist nicht ganz klar. Möglicherweise stammten die Pläne von einem der Ingenieure der königlichen Bauinspektion München II, die zu jener Zeit für Baugenehmigungen unter anderem auch in der Stadt Freising zuständig war.

Im Zusammenhang mit einigen technischen und baulichen Änderungen wurde im Jahr 1844 ein Aufriss gezeichnet, der die südliche, straßenseitige Fassade des Stadtbrunnhauses zeigt (vgl. Abb.). Der später errichtete Vorbau fehlt hier noch, so dass die gesamte Höhe des Brunnhauses gut zur Geltung kommt. Die Architektursprache entspricht dem Klassizismus wie er sich etwa in der Münchner Ludwigstraße findet. Den Fassadenaufriss fertigte Carl Klumpp, Schüler von Friedrich von Gärtner und seit 1843 Bezirksingenieur bei der Bauinspektion München II (als Architekt kommt Klumpp wohl nicht infrage, da er zum Zeitpunkt des Brunnhausbaus 1839/40 in Italien beziehungsweise in Athen auf der Baustelle des griechischen Königsschlosses tätig war). Im Vergleich zum heutigen Bauzustand besitzt das Brunnhaus hier noch eine rustizierte Erdgeschosszone sowie rustizierte Ecklisenen im Bereich des ersten und zweiten Obergeschosses. Die zeittypischen Segmentbogenfenster sind durch spätere Umbauten zum überwiegenden Teil vereinfacht worden. Einzig das Dachgesims mit dem umlaufenden Zinnenfries, der an die Architektur oberitalienischer Wehrbauten erinnert, ist noch weitgehend unverändert erhalten.

1888 verlor das Stadtbrunnhaus am Wörth seine Funktion. Damals wurde in Freising ein modernes, flächendeckendes Wasserversorgungssystem eingerichtet, dessen Zentrum das neue Wasserwerk bei der Veitsmühle war. Das alte Brunnhausgebäude wurde kurz darauf zum Dienstgebäude des städtischen Eichamtes, das für die Kontrolle der Maße und Gewichte zuständig war, umgebaut. Diese Nutzung bestand bis in die 1930er Jahre, danach veräußerte die Stadt das geschichtsträchtige, heute denkmalgeschützte Gebäude.

Autor: Florian Notter
QUELLEN: StadtAFS, Altakten I, Abt. X, Nr. 70, 72; ebd., Fotosammlung.
LITERATUR:
Grammel, Wolfgang: Das städtische Brunnhaus am Wörth in Freising. Ein Beitrag zur Wasserversorgung der Stadt Freising im 19. Jahrhundert, in: Amperland 37 (2001), S. 483-487.
Notter, Florian: Die Brunnhausgasse. Zur Geschichte eines kurzen, aber interessanten Freisinger Straßenzugs, in: Stadtmagazin Fink, 5. Jg., Juli/August 2011, S. 16-17. Notter, Florian: Nahrungsmittelversorgung am fürstbischöflichen Hof in Freising im 18. Jahrhundert (Magisterarbeit, Universität Regensburg), 2007, S. 19-21.

Juni 2020 - Neuigkeitenbuch der Stadtpolizei Freising: Eintrag zum Unfalltod des Schauspielers Ferdinand Marian (1946)

Einen besonders spannenden Einblick in die Geschichte einer Stadt bietet die Auseinandersetzung mit ihrer Kriminalhistorie. Für die Erforschung der Freisinger Polizeiarbeit gibt es eine interessante, bislang wenig beachtete Quelle: die sogenannten Neuigkeitenbücher der (bis 1972 bestehenden) Stadtpolizei. In diesen Diensttagebüchern, die leider nicht mehr durchgehend überliefert sind, wurden die Geschehnisse des laufenden Betriebs in Form kurzer Tätigkeitsberichte festgehalten. Durch die Einträge haben wir Kenntnis einer Vielzahl an Ereignissen, Unfällen und Straftaten, die sich im 20. Jahrhundert in Freising ereignet haben.

So wissen wir beispielsweise auch von einem schweren Verkehrsunfall, der sich
am 9. August 1946 abends auf der Münchner Straße zugetragen hatte. Kurz hinter der südlichen Freisinger Stadtgrenze war, wie es der diensthabende Stadtpolizist Sieber am darauffolgenden Tag ins Neuigkeitenbuch eintrug, ein Wagen von der Straße abgekommen und mit einem Baum kollidiert. Die beiden Beifahrer, der aus Prag stammende Karl Hermann und dessen Verlobte Erna Ladislava, wurden leicht verletzt in das Krankenhaus eingeliefert. Der Fahrer verstarb noch am Unfallort; hierbei handelte es sich um den damals sehr bekannten Schauspieler Ferdinand Marian.

Der gebürtige Österreicher Marian war in den 1920er und 1930er Jahren über das Schauspiel am Theater bekannt geworden und hatte ab 1938 ein festes Engagement am Deutschen Theater in Berlin. Zudem trat er ab 1933 in mehreren Filmen auf, wodurch er in den späteren 1930er Jahren zu einem der beliebtesten deutschen Schauspieler avancierte. Dadurch geriet Marian auch ins Blickfeld der nationalsozialistischen Reichsfilmkammer unter der Führung von Joseph Goebbels, der ihn 1940 für die Hauptrolle in dem antisemitischen NS-Propagandafilm „Jud Süß“ auswählte. In dem Spielfilm von Regisseur Veit Harlan geht es um die historische Figur des Joseph Süß Oppenheimer (1698-1738), einen jüdischen Finanzbeamten am Hof von Herzog Alexander von Württemberg (reg. 1733-1737). In der filmischen Darstellung wird Süß Oppenheimer, entgegen seiner Opferrolle in der historischen Wirklichkeit, als korrupter Beamter und als Lüstling und Vergewaltiger einer Christin verunglimpft. Mit dieser Kunstfigur wurde ein fiktives historisches Schreckbeispiel für antisemitische Vorurteile geschaffen. Nicht zuletzt versuchte man auf diese Weise, die nationalsozialistischen Rassegesetze zu rechtfertigen.

Der Schauspieler Ferdinand Marian befürchtete, von der Reichsfilmkammer nicht mehr besetzt zu werden, weshalb er sich nicht traute, die Rolle abzulehnen. Auch in der Folgezeit trat er in weiteren nationalsozialistischen Propagandafilmen auf, wie etwa in dem antibritischen Film „Ohm Krüger“ über den Burenkrieg im südlichen Afrika. Hierdurch wurde er von Joseph Goebbels weiter gefördert und schließlich auch vor dem Militäreinsatz im Zweiten Weltkrieg bewahrt. Diese Verbindungen in den nationalsozialistischen Propagandaapparat führten nach 1945 dazu, dass er von den Alliierten mit einem lebenslangen Berufsverbot belegt wurde.

Nach dem Krieg lebte Ferdinand Marian seit 1945 in Freising. Als er im darauffolgenden Jahr tödlich verunglückte, kamen Gerüchte auf, dass es sich auf Grund seiner beruflichen Situation um einen Suizid gehandelt haben könnte. Abschließend konnte diese Frage nie geklärt werden. Dagegen sprach vor allem die Tatsache, dass es bereits Bestrebungen gab, Marian wieder als Schauspieler zuzulassen.

Quellen: StadtAFS, B II, Polizeibücher, Neuigkeitenbuch 1944-1946; ebd., Altregistratur nach 1945, Nr. 04700262, Allgemeine Polizeiangelegenheiten.
Literatur: Knilli, Friedrich: Ich war Jud Süß. Die Geschichte des Filmstars Ferdinand Marian. Mit einem Vorwort von Alphons Silbermann, Berlin 2000.

Juli 2020 - Das Kloster Weihenstephan mit der Korbinianskapelle (1767)

Im Sommer 1720, also vor genau 300 Jahren, wurde in Weihenstephan eine Kapelle fertiggestellt, die man heute zu den außergewöhnlichsten Bauwerken Freisings zählen müsste – würde sie noch stehen: die Korbinianskapelle am Südhang des Weihenstephaner Berges.

Um zu dieser spätbarocken Kapelle etwas sagen zu können, muss man in der Geschichte weit zurückgehen: Am nachmaligen Kapellenstandort gab es zunächst nichts als eine kleine Wasserquelle, die ungefähr auf halber Höhe des bewaldeten Südhangs vor sich hinplätscherte. Ihre spirituelle Kraft zog Menschen an, vermutlich auch schon in der Zeit, als hier noch keine Christen lebten. Spätestens als Arbeo, der vierte Bischof von Freising, um das Jahr 770 das Leben des heiligen Korbinian, des ersten Bischofs von Freising, niederschrieb („Vita Corbiniani“), gab es einen christlichen Bezug zur Weihenstephaner Quelle. Der Quellort war Schauplatz einer der Wundererzählungen der Korbiniansvita: Auf der Suche nach einer nahegelegenen Möglichkeit der Wasserversorgung für die kleine geistliche Gemeinschaft auf dem Berg habe der Heilige gebetet, daraufhin seinen Spazierstock in den Südhang gestoßen – und schließlich eine Quelle erweckt. Die spirituelle Verbindung mit Korbinian machte die Quelle zu einem Ort der Verehrung des Heiligen. Über Jahrhunderte hinweg war sie ein beliebtes Ziel von Pilgern aus Nah und Fern (und ist es in geringem Maß bis heute).

Die große spirituelle Bedeutung des Ortes und wohl auch die starke Frequenz veranlassten das Benediktinerkloster Weihenstephan beizeiten, verschiedene Bautätigkeiten rund um die Korbiniansquelle vorzunehmen. So scheint die Quelle bereits im 12. Jahrhundert von einem (bis heute erhaltenen) Stollen überwölbt worden zu sein, wie neueste Untersuchungen nahelegen. Erstmals von einer steinernen Kapelle überbaut wurde die Korbiniansquelle dann im Jahr 1608.

Im Jahr 1718 fasste das Kloster unter der Führung von Abt Ildephons Hueber den Entschluss, die baufällig gewordene Kapelle neu zu errichten. Bereits zwei Jahre später, am 14. Juli 1720, konnte sie vom Freisinger Fürstbischof geweiht werden. Mit der Bauausführung und der künstlerischen Ausgestaltung waren die beiden Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam beauftragt worden. Nach ihren Plänen wurde die neue Kapelle als Zentralbau über kreisrundem Grundriss aufgerichtet, abgeschlossen von einer Kuppel mit Laterne. Die Außenfassade scheint für Freisinger Verhältnisse bauplastisch insgesamt ungewöhnlich reich gegliedert gewesen zu sein. Das gilt auch für den Innenraum, über den wir heute nur mehr wenig wissen. Allein die Rotmarmorreste des einstigen Bodenbelags, die man 2005 bei Ausgrabungen gefunden hat, zeugen von einer sehr kostbaren Ausstattung. Der Altar der Kapelle, der an der Hangseite stand, war dem heiligen Korbinian geweiht; das Altarbild zeigte das Quellwunder Korbinians. Links und rechts des Altars hingen zwei weitere Asam-Gemälde. Während sich das Altarblatt in der Klosterkirche Rohr erhalten hat, hängen die beiden Seitenbilder heute in der ehemaligen Stiftskirche in Tittmoning. In der Kuppel, die durch Oculi beleuchtet war, waren acht Szenen aus dem Leben Korbinians zu sehen. Im Quellstollen unterhalb des Kapellenraums wurde die Quellfassung aus Rotmarmor neu hergestellt; sie ist bis heute erhalten.

Unmittelbar vor dem großen 1000-jährigen Bistumsjubiläum 1724 errichtet, verband das Kloster Weihenstephan mit dem Bau dieser kostbaren, durch ihre exponierte Lage am Südhang weithin sichtbaren Kapelle den Anspruch, „Haupt-Gedenkstätte“ (Sylvia Hahn) der Korbiniansverehrung zu sein. Der Bau spornte vermutlich den Freisinger Fürstbischof an, hier nachzuziehen: Zur spätbarocken Erneuerung des Doms 1723/24 durch die beiden Brüder Asam dürfte es nicht zuletzt aus einem konkurrierenden Verhältnis zwischen Domberg und Weihenstephaner Berg gekommen sein. Infolge der Säkularisation des Klosters Weihenstephan 1803 wurde die Korbinianskapelle abgebrochen. Ein Teil der Mauern blieb aufgrund ihrer Hangstützfunktion stehen.

Der nachfolgende Kupferstich, der das Kloster Weihenstephan mit der Korbinianskapelle von Süden her zeigt, stammt von der Hand des Kupferstechers Joseph Anton Zimmermann (vgl. Abb.). Er wurde für den 1767 erschienenen 9. Band der Quellensammlung „Monumanta Boica“ (Kapitel zum Kloster Weihenstephan) gefertigt.

QUELLEN: Stadtarchiv Freising, Graphische Sammlung
LITERATUR (AUSWAHL): Brunhölzl, Franz: Bischof Arbeo von Freising. Das Leben des heiligen Korbinian, in: Glaser, Hubert (Hg.): Vita Corbiniani. Bischof Arbeo von Freising und die Lebensgeschichte des hl. Korbinian (30. Sammelblatt des Historischen Vereins Freising), München 1983, S. 77-159; Gleixner, Sebastian: Ein Puzzlespiel: Die Rekonstruktion des Klosters Weihenstephan aus den Quellen, in: Schegk, Ingrid: Weihenstephan 4D. Vom Kloster zum Campus. Versuch einer Rekonstruktion (Schriftenreihe der Fachhochschule Weihenstephan 6), Freising 2003, S. 73-141; Hahn, Sylvia: „Verwunderen wurde sich König Salomon über die Kunst der zweyen Herren Gebrüderen“. Fünf Asam-Werke aus 30 Jahren in Freising, in: Anneser, Sebastian et al. (Hg.): Asam in Freising (Kataloge und Schriften des Diözesanmuseums für christliche Kunst des Erzbistums München und Freising 45), Regensburg 2007, S. 16-53.

September 2020 - Fernschreiben zur Sprengung der Isarbrücke am 29. April 1945

Am 29. April 1945, einem Sonntag, ging für Freising der Zweite Weltkrieg zu Ende. Bis zum Einbruch der Abenddämmerung war die Stadt von Teilen der 86. Infanteriedivision der U.S.-Armee eingenommen worden.

Die meisten Bürgerinnen und Bürger verbrachten diesen Tag in ihren Häusern, begleitet von Angst und Sorge, wie die Besetzung der Stadt vonstattengehen würde. Am frühen Nachmittag mussten sie auf ein Alarmsignal hin die ihnen zugewiesenen Luftschutzkeller aufsuchen – ein Prozedere, an das man sich während der zurückliegenden Kriegsjahre gewöhnt hatte. Zeitzeugenberichten zufolge waren immer wieder Einschläge zu hören, die vom Granatenbeschuss der von Norden heranrückenden amerikanischen Truppen herrührten.

Eine Gruppe Freisinger Bürger um den Hotelier Carl Dettenhofer versuchte am Spätnachmittag mehrmals, den damaligen Stadtkommandanten, einen Major Meyer, von einer kampflosen Übergabe der Stadt zu überzeugen. Aus Furcht vor der SS blieb die Stadt jedoch in Gefechtsbereitschaft. Aus demselben Grund ließ Bürgermeister Hans Lechner jene weiße Fahne wieder einholen, deren Hissung Dettenhofer kurz zuvor, gegen 16.30 Uhr, auf dem St.-Georgs-Turm veranlasst hatte. Dettenhofer war es schließlich auch, der zusammen mit Lechner und Stadtpfarrer Albert Brey den U.S.-Truppen mit dem Auto und einer weißen Fahne entgegenfuhr und gegen 17.45 Uhr die Stadt auf dem Lankesberg friedlich übergab.

In den Fokus der Ereignisse an jenem 29. April 1945 geriet auch die Freisinger Isarbrücke (heute „Korbiniansbrücke“ oder „Alte Isarbrücke“). Damals war sie der einzige Isarübergang innerhalb des Stadtgebiets, weshalb ihr strategische Bedeutung zukam. Die Zerstörung der Brücke sollte den ins Erdinger Moos zurückweichenden Einheiten der Wehrmacht beziehungsweise der SS einen zeitlichen Vorsprung vor den U.S.-Truppen verschaffen (in kaum nennenswerten Umfang, wie sich dann herausstellte). Erste Vorbereitungen zur Sprengung der Brücke wurden bereits einige Tage zuvor unternommen. Mutige Bürger sabotierten das Sprengvorhaben zwei Mal: Zunächst in der Nacht vom 28. auf den 29. April 1945, indem die am zweiten stadtseitigen Brückenpfeiler fixierten Schwarzpulversprengladungen unschädlich gemacht wurden; ein zweites Mal dann am 29. April, als man die Zündschnur der von der SS angebrachten Dynamitladungen durchschnitten hatte. Die Schnur konnte jedoch wieder ertüchtigt werden und so flogen ungefähr gegen 18 Uhr die beiden stadtseitigen Brückenbögen in die Luft – nachdem sie wenige Minuten zuvor noch von letzten Einheiten der Wehrmacht überquert worden waren. Am 30. April begannen amerikanische Soldaten mit dem Bau einer Pontonbrücke.

Die Sprengung der Freisinger Isarbrücke am 29. April 1945 wurde offensichtlich einzelnen einschlägigen Verwaltungs- und Versorgungsstellen angekündigt. So erklärt sich ein Fernschreiben an das Freisinger Elektrizitätswerk, das vom oben erwähnten Kommandanten Major Meyer unterzeichnet und entsprechend weitergeleitet wurde (siehe Abb.). Der Zeitpunkt des Abgangs der Nachricht wird mit „14.32“ Uhr angegeben. Das Fernschreiben stammt aus dem Nachlass des damaligen Werksdirektors und wird heute im Stadtarchiv Freising aufbewahrt.

Autor: Florian Notter
QUELLEN: Stadtarchiv Freising, Splitternachlässe.
LITERATUR (AUSWAHL): [Dettenhofer, Carl]: Die letzten Tage vor dem Nazi-Zusammenbruch (Manuskript), Freising 1945; Wandinger, Anton: Freising von 1945 bis 1950 (21. Sammelblatt des Historischen Vereins Freising), Freising 1950.

Oktober 2020 - Flugzeugtaufe der Boeing 737-500 "Freising" (1992)

Am 17. Mai 1992 wurde der neue Münchner Flughafen offiziell in Betrieb genommen. Wenige Tage zuvor, am Dienstag, den 12. Mai, fand auf dem Flughafengelände ein festliches Ereignis statt, das speziell den beiden Städten Freising und Erding galt: die „Taufe“ zweier Lufthansa-Maschinen (Boeing 737-500) auf die Namen „Freising“ beziehungsweise „Erding“.

 

Die feierliche Flugzeugtaufe sollte vor allem ein Zeichen der Verbundenheit des Flughafens mit seinen Nachbarn sein, wie es Jürgen Weber, der damalige Vorstandsvorsitzende der Lufthansa, in seiner Ansprache kundtat. Dass die Lufthansa hier keine Kosten und Mühen scheute, macht besonders die große Zahl geladener Gäste deutlich: Rund 1.000 Personen kamen an jenem Mai-Nachmittag in der neuen Wartungshalle der Lufthansa zusammen, um dem seltenen Ereignis beizuwohnen. Nach Ansprachen der beiden Stadtoberhäupter, Oberbürgermeister Adolf Schäfer aus Freising und Bürgermeister Karl-Heinz Bauernfeind aus Erding, richteten sich alle Blicke auf die beiden First Ladies, Paula Weber-Schäfer und Trixi Bauernfeind. Ihnen oblag es nämlich, die Flugzeugtaufe zu vollziehen. Als traditionsbewusste Städte nahmen weder Freising noch Erding die „Taufe“ mit Champagner vor: So enthielt der Freisinger Krug Wasser aus der Korbiniansquelle auf dem Weihenstephaner Berg; Erding entschied sich dagegen für Erdinger Weißbier. Bevor sich das Wasser beziehungsweise Weißbier über den jeweiligen Flugzeugbug ergoss, sprachen die beiden First Ladies noch den Taufspruch: „Ich taufe Dich auf den Namen Freising (bzw. Erding) und wünsche Dir, Deinen Passagieren und Deiner Besatzung allzeit guten Flug.“ Am Morgen des 17. Mai 1992 sollten die beiden Maschinen die ersten sein, die nach dem spektakulären Umzug vom 16. auf den 17. Mai auf dem neuen Flughafen landen (die „Freising“ aus Berlin, die „Erding“ aus Frankfurt kommend); nicht ganz nach Plan kam diesen beiden Premiere-Landungen jedoch eine Aero-Lloyd-Maschine zuvor.

Wie der Flughafenbau selbst, so war auch die Flugzeugtaufe in Freising und in Erding keineswegs unumstritten, wie es Leserbriefe dokumentieren. Die Freisinger SPD etwa boykottierte die Veranstaltung ganz. Die beiden Stadtspitzen sahen sich bei Flughafen-Gegnern dem Vorwurf ausgesetzt, mit der Flugzeugtaufe den regionalen Flughafenprotest ein Stück weit zu verraten. 2012 wurde nach der Stadt Erding ein weiteres Flugzeug benannt; Freising hatte dasselbe Angebot erhalten, jedoch aufgrund der Diskussionen um den Bau einer dritten Start- und Landebahn abgesagt.

Die hier gezeigten Fotografien des Freisinger Fotografen Herbert Bungartz zur Flugzeugtaufe durch Paula Weber-Schäfer stammen aus einem kleinen Album aus dem Privatbesitz der unvergessenen Freisinger Unternehmerin und Oberbürgermeister-Gattin. Nach ihrem Tod im Januar 2019 wurden dem Stadtarchiv Freising mehrere hundert Dokumente und Fotografien zur dauerhaften Archivierung übergeben; der Nachlass wird derzeit erschlossen und dann unter der Bestandsbezeichnung „NLSp (Splitternachlass) Adolf Schäfer / Paula Weber-Schäfer“ geführt.

Autor: Florian Notter
QUELLEN: Stadtarchiv Freising, Splitternachlass Adolf Schäfer / Paula Weber-Schäfer; ebd., Zeitungssammlung, Freisinger Tagblatt, 12.03.1992, 15.04.1992 u. 14.05.1992; ebd., Zeitungssammlung, Freisinger Neueste Nachrichten, 14.05.1992
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November 2020 - Ein Freisinger Gastronomie-Führer aus dem Jahr 1977

Im Sommer 1977 gab der Freisinger Hotel- und Gaststättenverband einen 76 Seiten umfassenden Gastronomie-Führer heraus, der in zwei Exemplaren in der Druckschriftensammlung des Stadtarchivs überliefert ist. In dem Führer wurden wohl so ziemlich alle Restaurants, Wirtshäuser, Cafés, Bierstüberl, Bars und Diskotheken vorgestellt, die es seinerzeit in der Stadt gab (ohne die 1972 eingemeindeten Ortsteile). Neben einem Foto finden sich jeweils Angaben zu den Besitzern bzw. Pächtern, zu den Öffnungszeiten, zur Gästekapazität, aber auch zu den ausgeschenkten Bieren und zum Bierpreis.

Ein Vergleich mit dem Jahr 2020 zeigt, dass viele gastronomische Betriebe mit ihren damaligen, oft sehr traditionsreichen Namen bis heute existieren. Bei einer ganzen Reihe an Betrieben ist zwar der Standort unverändert geblieben, Name und gastronomisches Konzept haben sich aber (bisweilen mehrmals) gewandelt. Nicht wenige Betriebe sind vollkommen aus dem Stadtbild verschwunden.

Nachfolgend eine Liste mit allen im Führer beschriebenen Gastronomie-Betrieben. Die darin vorgegebene Reihung wird dabei im Wesentlichen übernommen.

 

Innenstadt (und näherer Umkreis)

Schießstätte (Jugoslawisches Restaurant, Dr.-von-Daller-Straße 1)

Zum Bodensteiner (Restaurant/Speiselokal, Heiliggeistgasse 15)

Maxburg (Wirtshaus, Luckengasse 9)

Paprika-Grillstube (Grillgaststätte, General-von-Nagel-Straße 4)

Hacklbräu (Gaststätte, General-von-Nagel-Straße 6)

Landshuter Hof (Speiselokal, General-von-Nagel-Straße 16)

Weißbräu Huber (Gaststätte, General-von-Nagel-Straße 5)

Jagdhaus (Diskothek, Untere Hauptstraße 43)

Zur Traube (Weinstube, Untere Hauptstraße 17)

Café Eggendinger (Café-Restaurant, Untere Hauptstraße 20)

Kochlöffel-Grill (Grillgaststätte, Untere Hauptstraße 16)

Eisdiele Garda (Italienische Eisdiele, Untere Hauptstraße 9)

Café Pfaller (Café, Untere Hauptstraße 6)

Bayerischer Hof (Hotelgaststätte, Untere Hauptstraße 3)

Weihenstephaner Stadtkeller (Restaurant, Marienplatz 4)

Wienerwald (Gaststätte, Marienplatz 3)

Sunbeam-Club (Bierlokal, Marienplatz 2)

Zum Ziegeltor (Café-Restaurant, Ziegelgasse 21)

Seemannsklause (Speiselokal, Ziegelgasse 7)

Café Schollweck (Café-Restaurant, Obere Hauptstraße 12)

Club Paramount (Diskothek und Pub, Obere Domberggasse 1)

Café Hütt (Bar mit Spielsalon, Obere Domberggasse 9)

Zur Gred (Gaststätte, Bahnhofstraße 8)

Stadtcafé (Café-Restaurant, Bahnhofstraße 10)

Zur Eisenbahn (Gaststätte, Bahnhofstraße 13)

St. Georgsklause (Weinstube mit Imbiß, Obere Hauptstraße 27)

Café Haller (Café, Obere Hauptstraße 24)

Furtnerbräu (Gaststätte, Obere Hauptstraße 42)

Café Fraunhofer (Café, Obere Hauptstraße 46)

Stieglbräu (Gaststätte, Obere Hauptstraße 54)

Kinokneipe (Bierlokal, Stieglbräugasse 1)

Bierkrügl (Café-Bar, Obere Hauptstraße 67)

Karlwirt (Gaststätte, Obere Hauptstraße 66)

Johannis-Alm (Bierlokal, Johannisstraße 1)

Schnellimbiß (Imbiß, Vöttinger Straße 2)

Zwitscherstüberl (Trinkstüberl mit Stehausschank, Vöttinger Straße 4)

Bahnhofsgaststätte (Gaststätte, Bahnhofplatz 4)

 

Nördliche Stadt

Bamberl (Bier- und Nachtlokal, Prinz-Ludwig-Straße 28a)

Plantage (Waldgaststätte, Plantage 2)

 

Weihenstephan und Vötting

Seiderer Schänke (Wirtshaus, Thalhauser Fußweg 11)

Lindenkeller (Speiselokal, Veitsmüllerweg 2)

Bräustüberl (Gaststätte, Weihenstephan)

Lerner (Hotelgaststätte, Vöttinger Straße 60)

HB-Stüberl (Bierlokal, Bachstraße 5)

 

Lerchenfeld (inkl. Luitpoldanlagen)

Sportgaststätte Conduti (Italienisches Restaurant, Luitpoldanlagen)

Lerchenfelder Hof (Hotelgaststätte, Erdinger Straße 29)

Café Maier (Café, Erdinger Straße 49)

Grüner Hof (Gaststätte, Erdinger Straße 42)

Schwimmbad-Restaurant (Restaurant, Am Schwimmbad 3)

 

Neustift

Peterhof (Wirtshaus, Mainburger Straße 36)

Hofbrauhauskeller (Speiselokal, Lankesbergstraße 5)

Aktienschänke (Gaststätte, Klebelstraße 2)

Neuwirt (Gaststätte, Alte Poststraße 91)

Dschungelbar (Tanzlokal, Alte Poststraße 99)

Bergwirt (Wirtshaus, Wiesenthalstraße 31)

Toaststüberl (Gaststätte, Herrenweg 1)

Zum Angerer (Gaststätte, Landshuter Straße 54)

Zum Löwen (Gaststätte, Landshuter Straße 66)

Autor: Florian Notter
QUELLEN: Stadtarchiv Freising, Druckschriftensammlung, Wirtschaft/Gastronomiebetriebe.

Dezember 2020 - Das Hofgartenschloss an der Kammergasse: Planzeichnung mit Aufrissen und Schnitten

Man braucht viel Fantasie, um sich auf dem heutigen Parkplatz-Areal an der Kammergasse einen barocken Garten mit Gartenschloss vorzustellen. Augenscheinlich deutet nichts darauf hin, dass es an dieser Stelle einmal eine derartige Nutzung gab. Tatsächlich erstreckte sich auf dem Gelände vom frühen 17. bis zum frühen 19. Jahrhundert der Hofgarten der Freisinger Fürstbischöfe – eine der bedeutendsten Gartenanlagen, die es in der Region gab.

Auch wenn vor Ort vom Hofgarten – mit Ausnahme eines kurzen Mauerzugs – nichts mehr zu sehen ist, so können wir uns heute trotzdem ein relativ klares Bild von seiner Ausdehnung, vom Erscheinungsbild und von der botanischen Ausstattung machen. Möglich machen dies schriftliche und bildliche Dokumente, die sich in mehreren Archiven erhalten haben. Der überwiegende Teil der Unterlagen befindet sich im Bayerischen Hauptstaatsarchiv in München, darunter der einzige Gartenplan von 1766 sowie die Pflanzen-Inventare. Weitere schriftliche Dokumente wurden zudem im Archiv des Erzbistums München und Freising überliefert.

Im Stadtarchiv Freising haben sich zwei Planzeichnungen erhalten, die das Hauptgebäude des Hofgartens, das Hofgartenschloss, wiedergeben. Auf einem Plan sind die Grundrisse des Erd- und des ersten Obergeschosses dargestellt, auf dem zweiten die Fassadenaufrisse und Gebäudeschnitte (zum zweiten Plan siehe Abb.). Die akkuraten Federzeichnungen, die in Teilen auch koloriert wurden, stammen von der Hand des Freisinger Hof- und Stadtmaurermeisters (und späteren Bürgermeisters) Thomas Heigl. Zusammen mit seinem Vorgesetzten, Hofbaumeister Matthias Rößler, war er ab 1802 vom bayerischen Staat beauftragt worden, alle ehemaligen fürstbischöflichen Gebäude in ihrem Bestand aufzunehmen. Infolge der Mediatisierung bzw. der Säkularisation 1802/03 war der gesamte Besitz des Hochstifts, des Domstifts und der Klöster in Freising in den Besitz des bayerischen Staats übergegangen. Dazu gehörte eben auch der Hofgarten samt dem Hofgartenschloss.

Zum Zeitpunkt, als die Pläne gezeichnet wurden, bestand das Hofgartenschloss knapp eineinhalb Jahrhunderte. Es war wohl 1668/69 im Auftrag des Fürstbischofs Albrecht Sigmund von Bayern (reg. 1651-1685) errichtet worden. In der Hauptsache diente das Gebäude der Hofgesellschaft bei Gartenfesten. Nach dem Übergang an Bayern kaufte es die Stadt Freising, die hier unter anderem den ersten Kindergarten der Stadt, die sogenannte „Kleinkinderbewahranstalt“, einrichtete. 1881 ließ die Stadt das historische Gartenschloss abbrechen, um das Gelände mit dem neuen Waisenhaus (heute „Zentrum der Familie“) bebauen zu können.

AUTOR: Florian Notter
QUELLEN: Stadtarchiv Freising, Plansammlung.
LITERATUR: Götz, Ulrike: Freising um 1800. Ansichten und Pläne, 2003.

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