Streit – ein Wort, das oft negativ belegt ist. Doch genau hier setzte der Workshop „Streit/Förderer“ an, der im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Zehntelsekunde“ stattfand. Die zentrale Frage lautete: Wie kann man konstruktiv streiten, ohne zu verletzen oder sich selbst zu verlieren?
Die Referentin Dr. Eva Feldmann-Wojtachnia, Leiterin der Forschungsgruppe „Jugend und Europa“ an der LMU München, erklärte den Teilnehmenden auf anschauliche Weise, wie Werte im Alltag oft in einem Spannungsfeld stehen:
Mit dem sogenannten Wertequadrat nach Friedemann Schulz von Thun zeigte sie, dass jede gute Eigenschaft ins Negative kippen kann, wenn man sie übertreibt. So wird zum Beispiel aus „Sparsamkeit“ schnell „Geiz“, wenn das Maß verloren geht. Entscheidend ist deshalb die Balance – also das bewusste Zusammenspiel mit einem „Schwesterwert“, wie etwa „Großzügigkeit“. Nur so kann ein Wert seine positive Wirkung wirklich entfalten.
Zum Beispiel stehen Werte wie Sparsamkeit und Großzügigkeit in einem Spannungsverhältnis. Wer zu sparsam ist, gilt schnell als geizig – wer zu großzügig ist, läuft Gefahr, verschwenderisch zu handeln. In beiden Fällen kann eine gute Eigenschaft ins Negative kippen, wenn sie übertrieben wird.
Ein ähnliches Spannungsfeld gibt es auch bei politischen Grundwerten: Auf der einen Seite stehen demokratische Rechte für alle, auf der anderen Seite die Idee einer wehrhaften Demokratie, also der Schutz unserer Demokratie vor ihren Gegnern. Auch hier ist es wichtig, ein gutes Gleichgewicht zu finden: Wir dürfen nicht blind vertrauen, aber auch nicht übertrieben hart durchgreifen und dadurch selbst undemokratisch werden.
Streit und Diskussionen gehören zur Demokratie dazu – wenn wir offen und respektvoll miteinander umgehen, kann daraus etwas Gutes entstehen.
Konstruktives Streiten bedeutet, andere Perspektiven ernst zu nehmen, ohne die eigene Haltung aufzugeben. Dabei das richtige Maß finden ist nicht einfach, da dieses von Menschen unterschiedlich empfunden wird. Wer jedoch die Grundwerte seines Gegenübers kennt, erkennt auch dessen wunde Punkte – und kann gezielter, aber respektvoll diskutieren. Statt in Beliebigkeit oder Selbstgerechtigkeit und Rechthaberei abzurutschen, eröffnet sich so ein Raum für produktive Auseinandersetzung.
Es gibt viele Themen, die gesellschaftlich ausgehandelt werden müssen. Nur so ist pluralistische Meinungsbildung in der Zivilgesellschaft möglich, werden Ideen und Bedürfnisse anderer Menschen sichtbar. Am Ende waren sich die Teilnehmenden einig: Streit ist kein notwendiges Übel – sondern ein zentraler Baustein demokratischer Kultur. Voraussetzung dafür ist jedoch die Bereitschaft, den eigenen Standpunkt zu reflektieren und andere Haltungen als wertvoll anzuerkennen.
Der Workshop, veranstaltet vom Treffpunkt Ehrenamt zusammen mit dem Förderverein Freisinger Raum der Begegnung wurde vom Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.