Januar 2018 - Eislauf auf dem Eissportplatz am Veitsmüllerweg (1896)

Im April 2017 erhielt das Stadtarchiv von einem Antiquariat in Frankreich ein interessantes Angebot: eine Serie von knapp dreißig Fotografien mit qualitativ sehr hochwertigen Freising-Motiven der 1890er Jahre. Die Bilder wurden schließlich für die  Fotosammlung des Stadtarchivs angekauft.

Auf einer dieser Fotografien hat der uns unbekannte Fotograf eine Szene aus der Anfangszeit des Freisinger Wintersports festgehalten: den Eislauf auf dem Eissportplatz am Veitsmüllerweg, vermutlich im Winterhalbjahr 1896/97. In zeittypischer Kleidung sehen wir Frauen mit schweren Röcken und Männer mit Hüten beim Schlittschuhlaufen. Im Hintergrund erhebt sich der Domberg mit seiner südwestseitigen Bebauung. Links außen ist das sogenannte Sengschmiede- oder Wuhrmeister-Anwesen zu erkennen (nachmals Veitsmüllerweg 13, 1996 abgebrochen). Im 18. und 19. Jahrhundert gehörte es einer Familie namens Heilmeier.

Im Lauf der 1860er Jahre öffnete Kastulus Heilmeier, ein Mitglied dieser Familie, seinen hinter dem Anwesen gelegenen Weiher für den Eislauf. Durch die Flutung der umliegenden Wiese mit Moosachwasser konnte die Eisfläche noch beträchtlich vergrößert werden. Unklar ist, inwieweit Heilmeier die Eisgewinnung auch ökonomisch, also für den Blockverkauf an Brauereien, Gaststätten oder Metzgereien, nutzte. Die Öffnung für den Eislauf werden ihm seine Mitbürgerinnen und Mitbürger jedenfalls gedankt haben, nicht zuletzt auch im Hinblick auf das Gefahrenpotential, das die älteren Eislaufplätze auf zugefrorenen Isar-Altwassern in sich bargen.

Im Jahr 1888, vielleicht auch schon einige Jahre früher, gründeten Freisinger Bürger einen örtlichen "Eisklub". Als seine Hauptaufgabe sah es dieser Verein an, für ein ansprechendes Angebot an Wintersportmöglichkeiten in Freising zu sorgen. dies bezog sich zeitgenössisch vor allem auf den Eislauf und das Eisstockschießen. Mittelpunkt des aktiven Vereinslebens war wiederum die winterliche Heilmeier-Wiese, der Freisinger "Eissportplatz", wie die Fläche nun bezeichnet wurde. Als zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Freisinger Baumeister Alois Steinecker das weitläufige Grundstück in seinen Besitz brachte, wurde der Bereich entlang des Veitsmüllerwegs mit Stadtvillen bebaut. Die rückwärtige Wiese und ihre Winternutzung blieben davon jedoch unberührt. 1903/04 ließ Steinecker für die Eisläufer eine "provisorische Ankleide- und Wärmehalle" errichten.
Der Eislaufplatz am Veitsmüllerweg blieb bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erhalten. Heute steht hier größere Gebäude, so vor allem der Kindergarten am Veitshof und ein Wohnheim der Lebenshilfe Freising e.V..

Autor: Florian Notter
Quellen: StadtAFS, Vereinsakte "Eis Club Freising"; Fotosammlung; Stadtgeschichtliche Dokumentation; Häuserkartei (nach F. Bichler).


 

Februar 2018 - Gewichtheben von Olympia-Sieger Rudi Ismayr (1935)

Ab dem 9. Februar 2018 treffen sich im südkoreanischen Pyeongchang Sportler aus fast 100 Nationen, um sich dort in den Wettkämpfen der 23. Olympischen Winterspiele zu messen. Auch die Stadt Freising kann in der Geschichte der Spiele auf mehrere Goldmedaillen Gewinner zurückblicken. So gewannen mit Josef Manger und Rudolf Ismayr in den 1930er Jahren, zwei Freisinger Sportler bei den Olympischen Spielen in Los Angeles und Berlin die Wettkämpfe im Gewichtheben.

Im Stadtarchiv Freising ist von Rudolf Ismayr ein Splitternachlass erhalten, der die Karriere dieses Sportlers nachzeichnet und sie mit einer Sammlung von Zeitungsausschnitten, Auflistungen von Wettkampfergebnissen und Korrespondenzen dokumentiert. Zudem zeigt der Nachlass, dass Ismayr daran interessiert gewesen ist, seine Fähigkeiten und Trainingsmethoden in der Disziplin des Gewichthebens weiterzugeben. 1935 erschien im Trigon-Verlag das Sportbuch "Gewichtheben von Olympia-Sieger Rudi Ismayr". In dieser Veröffentlichung stellt Rudolf Ismayr zum einen autobiographisch seinen Werdegang und seine Wettkampferfahrungen, insbesondere die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Los Angeles, dar. Zum anderen wollte er aber seine Trainingsmethoden präsentieren und den Leser dazu ermuntern, diese Sportart zu betreiben. Das Werk beinhaltet in einem ersten Abschnitt neben einer kurzen Historie des Sports eine einführende Beschreibung in die verschiedenen Teildisziplinen des Gewichthebens. Daran schließt sich ein zweiter Bereich an, in welchem sich Ismayr intensiv mit verschiedenen Übungen sowie Trainingsmethoden für das "Drücken", "Reißen" oder "Stoßen" der Hanteln, auseinandersetzt. Ausgehend von den vorgestellten Übungen erstellt er einen aus seiner Sicht idealen Wochenplan für ein intensives Krafttraining mit verschiedenen Geräten und für verschiedene Muskelgruppen. In einem letzten Kapitel gibt Ismayr, vermutlich als Orientierungshilfe, eine Übersicht zu den bestehenden deutschen Rekorden und über die Weltrekorde in den verschiedenen Gewichtsklassen. Dass seine Trainingsmethoden durchaus erfolgsversprechend gewesen sind, zeigt nicht nur sein eigener Olympiasieg im Jahr 1932, sondern auch der Sieg seines Zöglings Josef Manger, dieser Gewann vier Jahre später in Berlin die Goldmedaille im Schwergewicht.

Rudolf Ismayr wurde am 14. Oktober 1908 in Landshut geboren. Seine Jugend verbrachte er in Landshut und Deggendorf, wo er 1924 im Alter von 16 Jahren mit dem Boxen und Gewichtheben begann. Bereits 1925 wurde er niederbayerischer Gaumeister im Leichtgewicht, bei den Wettkämpfen kam es zu einem ersten Treffen mit dem späteren Reichstrainer Josef Zimmermann. 1928 zog Ismayr nach München und begann dort ein Studium der Rechtswissenschaften. Sein sportliches Training setzte er jedoch bei mehreren Sportvereinen fort. Josef Zimmermann holte ihn schließlich 1930 in den SC Roland München, wo er das Training intensivierte. Binnen eines halben Jahres erreicht Rudolf Ismayr so Siege und hohe Platzierungen bei verschiedenen deutschen Meisterschaften und nahm noch im selben Jahr erstmals an den Europameisterschaften im Gewichtheben teil. 1931 wurde Ismayr in Magdeburg Deutscher Meister und bei den Meisterschaften in Luxemburg Europameister. Dies ermöglichte ihm im darauffolgenden Jahr die Teilnahme an den Olympischen Spielen in Los Angeles, wo er für das Deutsche Reich die erste Goldmedaille im Gewichtheben errang. Nach den Spielen begann Ismayr mit dem Aufbau der Gewichtheber-Abteilung der Sportvereinigung Freising und holte dabei junge Talente wie den bereits erwähnten Bamberger Josef Manger nach Freising. Bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele 1936 in Berlin sprach Rudolf Ismayr den Olympischen Eid. Zudem konnte er im Verlauf der Spiele die Silbermedaille in seiner Gewichtsklasse erringen. Während des Zweiten Weltkriegs, wurde er 1940 als Soldat zum Kriegsdienst eingezogen. 1945 geriet er in britische Kriegsgefangenschaft, aus welcher er 1946 wieder entlassen wurde. Im Nachkriegsdeutschland war Ismayr als Volljurist im Staatsdienst tätig und wandte sich der Friedensbewegung zu. Politisch setzte er sich für die Abschaffung von Atomwaffen ein und kandidierte 1957, 1961 und 1965 erfolglos für den "Bund der Deutschen" sowie für die "Deutsche Friedens-Union" bei den Bundestagswahlen. Am Ende seiner Sportlerkarriere konnte Ismayr auf sieben Deutsche Meistertitel, drei Gewinne der Europameisterschaft, mehrere Weltrekorde und den Olympiasieg von 1932 zurückblicken. Am 9. Mai 1998 verstarb Rudolf Ismayr in Marquartstein.

Seine Veröffentlichung über das Gewichtheben bietet uns die Möglichkeit einen Vergleich mit den heutigen Trainingsmethoden vorzunehmen. Interessant ist es dabei zu untersuchen, inwieweit sich die Vorstellungen von Training und Ernährung in den letzten 80 Jahren veränderten.

Autor: Matthias Lebegern
Quelle: Stadtarchiv Freising; NLSP Rudolf Ismayr.


 

März 2018 - Porträtfotografie des Freisinger (Ober-)Bürgermeisters Stephan Bierner (1902)

Mit einer Amtszeit von 34 Jahren gibt es keinen Vorgänger oder Nachfolger, der länger als (Ober-)Bürgermeister Stephan Bierner das politische Tagesgeschäft Freisings gelenkt hat. Durch den städtischen Magistrat im Königreich Bayern zum ersten Mal gewählt, durchlebte er den systemischen Umbruch am Ende des Ersten Weltkrieges und wurde schließlich 1933 von den Nationalsozialisten aus dem Amt des Oberbürgermeisters entlassen.

Die hier gezeigt Fotografie stellt Stephan Bierner 1902 als 35-jährigen Mann, drei Jahre nach seiner Wahl zum Freisinger Bürgermeister, dar. Die Aufnahme stammt von Hoffotograf franz Ress. Er porträtierte Bierner in sitzender Pose: im Amtsstuhl, scheinbar lesend; zudem trägt er deutlich sichtbar die Amtskette der Freisinger Bürgermeister. Damit wählte der Fotograf hier eine typische Form des Porträts aus dem frühen 20. Jahrhundert. So war die sitzende Position für den Abgebildeten einfach einzuhalten, was auf Grund der langen Belichtungszeiten, die Qualität der Aufnahme erhöhte. Gleichzeitig wird durch die geschickte Verwendung von Amtsinsignien, wie der Amtskette und das Sitzen auf dem Sessel, ein politischer Machtanspruch symbolisiert und die Person als Bürgermeister erkennbar gemacht. Um einen positiven Eindruck beim Betrachter zu bewirken, stellt Ress Bierner zudem in einer alltäglichen und als natürlich empfundenen Position dar - den Blick nicht direkt in die Kamera gerichtet sowie lesend in einem Stuhl. Diese Einstellung wurde häufig in vergleichbaren Motiven gewählt, um das Gefühl zu vermitteln, dass diese Personen ihr Amt gut und mit angemessener Würde ausführt. Die Verwendung eines Buches stellt Bierner obendrein als gebildete Person heraus.

Stephan Bierner wurde am 28. Mai 1867 im oberpfälzischen Langenthal geboren. Nach einem Studium der Rechtswissenschaften begann seine politische Karriere in Ingolstadt als Rechtsrat des Stadtmagistrats. Am 28. Oktober 1899 wurde der 32-jährige von den Freisinger Gemeindebevollmächtigten zum Bürgermeister der aufstrebenden Landstadt Freising gewählt. In seinen ersten Amtsjahren erfolgte die Fortführung, der unter seinem Vorgänger Martin Mauermayr begonnen Ausweitung des Stadtgebiets. Hierfür wurden an unterschiedlichen Punkten der Stadt neue Siedlungen verwirklicht, welche sich in ihren Ausprägungen an den jeweiligen Bedürfnissen der dort angesiedelten Bevölkerungsschicht orientierten. So entstanden in Bierners Amtszeit zum Beispiel das architektonisch hervorstechende Villenviertel und etwas später die Arbeitersiedlung am Goldberg. die Ansiedlung neuer Einwohner förderte die Entwicklung Freisings hin zu einem urbanen Zentrum, was sich nicht zuletzt auch durch den Ausbau der örtlichen Infrastruktur belegen lässt. 1902 eröffnete Stephan Bierner den nötig gewordenen Erweiterungsbau der Knabenschule St. Georg sowie mit der Schwimm- und Badeanstalt eine bis heute bestehende Freizeit-Einrichtung der Stadt. Mit dem Neubau des Freisinger Rathauses in den Jahren 1904/05 schuf er, nach den Plänen des Münchner Architekten Günther Blumentritt, ein neues politisches Zentrum für Freising. Auch die lokale Wirtschaft konnte er in den Folgejahren durch eine geschickte Politik stärken. So wurde 1905 der Ort Neustift nach Freising eingemeindet und das bayerische Militär verlegte seinen Standort von dort in die neu eingerichtete "Jägerkaserne" auf den Freisinger "Wehrberg". Das alte Kasernengebäude in Neustift brachte die Stadt käuflich an sich, mit dem Ziel, es an einen Unternehmer zu veräußern, der dort investierte und dringend benötigte Arbeitsplätze schuf. In Carl Feller aus Lauingen fand man schließlich einen solchen Unternehmer: er etablierte auf dem ehemaligen Kasernengelände eine Tuchfabrik. Durch den Ausbruch des Ersten Weltkrieges ebbte die Aufbruchsstimmung ab. Mit der Einführung einer demokratischen Ordnung und Ratsverfassung in den bayerischen Kommunen begann für den königlichen Hofrat Bierner 1919 ein neues Kapitel seiner Amtszeit. So erhielt der Stadtrat eine deutliche Aufwertung seiner politischen Kompetenzen und seines Mitspracherechts. Aber auch die Stellung des Bürgermeisters wurde aufgewertet und Bierner am 29. Februar 1924 der Titel eines Oberbürgermeisters verliehen. Beim 1200-jährigen Korbiniansjubiläum brachte er sich 1924 verstärkt in die Ausrichtung der Feierlichkeiten ein und wurde hierfür von Papst Pius XI. zum Ritter des Ordens vom Hl. Sylvester ernannt. Die Amtszeit Bierners endete abrupt mit seiner Entlassung durch die neue nationalsozialistische Regierung im März 1933. Im Anschluss verlor Bierner an Bedeutung und erhielt erst wieder 1946 mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde eine späte Ehrung für seine Verdienste um die Stadt. 1951 starb der Altoberbürgermeister in seinem Geburtsort Langenthal; bestattet wurde er in einem Ehrengrab auf dem St. Georgs-Friedhof in Freising.

Autor: Matthias Lebegern
Bestand: Stadtarchiv Freising, NLSp Stephan Bierner, SEL FO 1.
Literatur:
Lebegern, Matthias: Kontinuität oder Wandel? Die Darstellung der Erzbischöfe von München und Freising in der Fotografie des 20. Jahrhunderts. München 2015 (unveröffentlichte Masterarbeit).
Lehrmann, Günther: Eine Freisinger Vorstadt. Zur Eingemeindung der Ortschaft Neustift im Jahre 1905. In: Götz, Ulrike (Hrsg.): 39. Sammelblatt des Historischen Vereins Freising. Freising 2006. S. 61-87.
Notter, Florian: Freisinger (Ober-)Bürgermeister der letzten 150 Jahre. In: Fink Media (Hrsg.): Fink das Magazin aus Freising. Ausgabe 02/12. Freising 2012. S. 14-19.
Schmid, Wilhelm: Die Bürgermeister von Freising vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart. München 1970 (unveröffentlichte Zulassungsarbeit).


 

April 2018 - Familienbogen des Anton Kvas (1937)

Haben Sie schon einmal daran gedacht nach Ihrer Herkunft zu forschen? Also nicht wer Vater oder Mutter sind, sondern: Wie haben die Verwandten im vergangenen Jahrhundert ausgesehen, welche Berufe haben sie ausgeübt und wie viele Kinder hatten sie? Diesen und anderen Fragen gehen in den deutschen Archiven täglich Genealogen (Familienforscher) nach, um Stammbäume und Chroniken über ihre Familien zu erstellen. Dabei bieten die Akten und Dokumente der unterschiedlichen Archive eine Vielzahl an Möglichkeiten zur Nachforschung über die eigene Familie. Seien es beispielsweise die Tauf-, Heirats- oder Sterbematrikel in den kirchlichen Archiven, die Kriegsstammrollen im bayerischen Hauptstaatsarchiv oder die standesamtlichen Unterlagen in den kommunalen Archiven. Mit dem diesmaligen Archivstück des Monats, möchte Ihnen das Stadtarchiv eine wichtige Quellengattung vorstellen, die Sie nutzen können, um mit der Suche nach Ihren Vorfahren zu beginnen: die kommunalen Familien- und Meldebögen.

Diese Unterlagen des polizeilichen Meldewesens wurden im 19. Jahrhundert eingeführt, nachdem sich im Königreich Bayern staatliche und kommunale Stellen neuordnen mussten. So kam es zu Beginn des Jahrhunderts zur Auflösung des Heiligen Römischen Reiches und seiner Territorien sowie zur Mediatisierung und Säkularisation der kirchlichen Besitzungen. 1818, im Zusammenhang mit der neuen Verfassung, wurde aus diesem Grund eine Gemeindeordnung erlassen, deren Bestandteil unter anderem eine Reform des polizeilichen Meldewesens gewesen ist. Nach dem bayerischen Gesetz über die Ansässigmachung und Verehelichung von 1825 führten die kommunalen Polizeireferate schließlich Familienbögen, Einbürgerungsakten sowie Hausbögen zur Erfassung der wichtigsten Personenangaben ein. Die Familien- und Meldebögen erfassen dabei in den bayerischen Gemeinden die jeweiligen Hausvorstände. Grundlegend aufgeführte Informationen sind dabei die Angaben zu Geburtsdatum und -ort, Konfession, Familienstand, Herkunft und gegebenenfalls ein Sterbedatum. Darüber hinaus enthalten viele Bögen weitere Informationen, wie den Beruf, den Namen und die Anzahl der Kinder, Gewerbeanmeldungen oder Wehrdienstleistungen einer Person oder Familie. Besonders wichtig für die Familienforschung ist dabei die Erfassung der Aufenthaltsorte, also wo in Freising jemand gelebt hat und im Falle eines Um- oder Wegzuges dessen nächste Nachfolgeadresse gewesen, so dass man mit diesen Informationen weitere Nachforschungen über das Leben eines Menschen anstellen kann.

Welche Informationen über eine Person man nun konkret aus einen solchen Dokument erfahren kann, zeigt das Beispiel des abgebildeten Familienbogens des Freisinger Bürgers Anton Kvas. Geboren wurde dieser am 25. Januar 1894 als Sohn des Anton Kvas und der Anna Kvas (geb. Weg), im österreichischen Gratkorn bei Graz. Am 5. Juni 1937 zog er aus der damals noch eigenständigen Gemeinde Rudlfing bei Marzling nach Freising. Dort verdingte er sich beruflich als Schlosser. Über die Familie des Katholiken Kvas ist aus dem Bogen nichts Weiteres zu erfahren, außer dass er geschieden wurde. Allerdings verrät uns der Meldebogen noch weitere biografische Details seines Lebens, so sind auf der Rückseite des Bogens die Wohnungen aufgeführt, in welchen der Handwerker in Freising lebte. Aus dieser Tabelle werden nicht nur die Adressen, sondern auch die Vermieter ersichtlich. Daher eignen sich  die Familienbögen auch zur Erforschung der Häusergeschichte Freisings. Eher ungewöhnlich ist die Annahme der Staatsbürgerschaft des Deutschen Reiches durch den Österreicher Kvas am 13. Februar 1929, was aus dem Feld über dessen Heimatzugehörigkeit ersichtlich wird. Nach dem Zweiten Weltkrieg legte er diese allerdings wieder ab und wurde erneut österreichischer Staatsbürger.

Der Bogen von Anton Kvas verdeutlicht die grundlegenden biografischen Details, welche ein solcher Familienbogen zu einer Person liefern kann. Weitere Informationen auf anderen Bögen können beispielsweise das Sterbedatum und die Todesumstände einer Person beschreiben oder welche politischen Ämter sie innegehabt hat. Daher sind diese Dokumente ein guter Einstieg, die eigene Geschichte zu erforschen.

Autor: Matthias Lebegern
Quelle: Stadtarchiv Freising. Einwohnermeldebögen Kvas, Anton.
Literatur: Cramer-Fürtig, Michael: Personenstands- und Meldeunterlagen in bayerischen Kommunalarchiven. In: Krenn, Dorit-Maria; Stephan, Michael; Wagner, Ulrich (Hrsg.): Kommunalarchive - Häuser der Geschichte. Quellenvielfalt und Aufgabenspektrum. Würzburg 2015. S. 137-158.


 

Mai 2018 - Werbepostkarte des Jägerwirts in Freising (1910)

Wenn die Temperaturen im Frühling steigen, beginnt an vielen Orten in Bayern die jährliche Biergartensaison. Dabei werben viele Gaststätten mit verschiedenen Veranstaltungen wie Blasmusik oder Maibaum-Aufstellen, um Gäste anzulocken. Das diesmalige Archivstück des Monats zeigt uns eine andere, nicht weniger kreative Möglichkeit, wie man für seine Wirtschaft Werbung machen kann. Der Freisinger "Jägerwirt" setzte zu Beginn des 20. Jahrhunderts Werbepostkarten ein, um auf sich aufmerksam zu machen.

Die Bildseite der 1910 gelaufenen Postkarte zeigt einen freundlich dreinblickenden, volkstümlich gekleideten Mann, der, Zigarre rauchend, in einen prunkvoll verzierten Bierkrug blickt. Dabei sitzt er aufgestützt an einem hölzernen Bierfass, auf dem sich zum einen der Schlegel für den Zapfhahn und zum anderen ein "Radi" befindet. Somit stellt er das klischeehafte Bild eines bayerischen Wirtshausbesuchers dar. Zudem ist das Bild mit dem humoristischen Sinnspruch "Auf Erden wärs nur halb so schön Müsst durstig Du zu Bette gehen." unterschrieben, wodurch diese karikierte Überzeichnung noch einmal verstärkt wird. Neben der witzigen Art und Weise, Bekannten oder Verwandten eine Nachricht zukommen zulassen, hatte die Postkarte noch eine zweite Aufgabe: Sie diente der Freisinger Wirtschaft als Werbeträger. Dies wird deutlich, betrachtet man die Textseite der Postkarte, die für die Nachricht des Absenders und die Adresse des Empfängers vorgesehen war. Dort ist zu lesen: "Gasthaus "Jägerwirt" Freising b. München Restaurateur: Josef Nagerl. Ff. Freisinger Weißbier, sowie 1a. Dunkles aus der Brauerei Seiderer & Eichner. Reine Weine. Vorzügliche Küche. Schattiger Garten mit Kegelbahn. Gute Fremdenzimmer. Civile Preise."

Die Verwendung als Werbeträger geht auf die frühe Zeit der Postkarten in den 1870er Jahren zurück. Häufig waren die kleinen Bilder mit Plakatwerbungen gekoppelt, so dass dasselbe Bild in verschiedenen Formaten seine Verbreitung fand. Besonders Hotelbetriebe und Restaurants in Tourismusorten sowie die Eisenbahn- und Schifffahrtsgesellschaften fertigten solche Postkarten an, um durch den Versand durch Touristen neue Kunden zu gewinnen. Ende des 19. Jahrhunderts zogen auch große Industriefirmen (z.B. Leibnitz), Freizeiteinrichtungen (z.B. Zirkusse oder Theater), und Zeitungen nach, um ihre Produkte auf diese Weise zu bewerben.

Den Freisinger "Jägerwirt" gab es wohl seit dem späten 17. Jahrhundert. Er befand sich am westlichen Ende der historischen Kernstadt, in der heutigen Oberen Hauptstraße 60. Das Anwesen befand sich im grundherrschaftlichen Eigentum des Kollegiatstifts St. Veit. Zu dieser Zeit dürfte ein Pächter des Hauses eine sogenannte Bierzäpflergerechtigkeit erworben haben. Für das Jahr 1704 lässt sich erstmals die Bezeichnung "Jägerwirt" belegen, welche vermutlich auf den fürstbischöflichen Oberjäger Hans Pfeifer hindeutet. Dieser hatte das Haus 1672 erbrechtsweise übernommen und war vermutlich der erste Inhaber dieses Privilegs. Im späten 19. Jahrhundert wurde die Gaststätte durch die Freisinger Großbrauerei "Seiderer & Eichner" beliefert und hatte wechselnde Pächter. Zur Entstehungszeit der Postkarte, war dies, wie uns der Werbetext verrät, der Wirt Josef Nagerl. In Jahre 1952 endete der mehr als 280-jährige Betrieb der Gaststätte durch die Aufgabe des Pächters Alois Langer.

Die Postkarte aus der Sammlung des Stadtarchivs ist ein schönes und humoristisches Beispiel für das Werbemarketing eines Gastronomiebetriebs des frühen 20. Jahrhunderts. Der Sinnspruch und die freundliche Gestalt des klischeehaften Wirtshausbesuchers appellierten dabei an das Heimats- und Geselligkeitsgefühl der Menschen und sprachen somit eine humorvolle Einladung zum Besuch der Gaststätte aus.

Autor: Matthias Lebegern
Quelle: Stadtarchiv Freising, Postkarten-Sammlung 55-01801.
Literatur: Notter, Florian: Aufbruch und Umbruch. Freising in Fotografien der Jahre 1900 bis 1920. München 2017. S. 60-61.
Till, Wolfgang: Alte Postkarten. Augsburg 1994.


 

Juni 2018 - Aufriss: Das Isartor von außen (1863)

Es gibt nur wenige Themen zur Freisinger Stadtgeschichte, die in der öffentlichen Wahrnehmung so präsent sind wie die historische Stadtbefestigung. Ihre im Lauf des 18. und 19. Jahrhunderts überwiegend zerstörten Bestandteile (Wehrmauer, Graben, Türme und Tore) waren seit den 1920er Jahren vielfach Gegenstand von Ausstellungen, Vorträgen oder kurzen heimatkundlichen Beiträgen. Generation von Grundschulkindern mussten die Namen und Standorte lernen (im Stadtmuseum gibt es inzwischen sogar einen Stadttor-Bastelbogen). Auch der Freising-Besucher, der an einer Stadtführung teilnimmt, kommt den Spuren und Überresten der Stadtbefestigung in der Regel nicht aus.

Die konstante Popularität des Themas steht allerdings im Gegensatz zur wissenschaftlichen Aufarbeitung. Denn eigentlich ist über die Freisinger Stadtbefestigung relativ wenig bekannt: Nichts über eine mögliche Vorgänger-Befestigung, kaum etwas über die Entstehungsumstände der Befestigung im Spätmittelalter; kaum etwas über die militärische Bestückung. Selbst der genaue Verlauf und der Befestigungsgrad insbesondere an der ost- und südseitigen Stadtgrenze sind unklar. Klärung bestünde zum Beispiel auch im Hinblick auf organisatorische Fragen wie die konkrete Zuständigkeit der Stadt bzw. des Hochstifts oder die Funktion der Tore als Zolleinnahmestellen. Auch die Abbruchphase der Befestigung im 19. Jahrhundert, zu der es vergleichsweise geschlossene Akten- und Planbestände gibt, wurde bisher kaum untersucht. Neben zwischenzeitlich verwertbaren archäologischen Quellen müsste sich eine Auswertung besonders auf die schriftlichen Quellen im Bayerischen Hauptstaatsarchiv, im Staatsarchiv München sowie im Stadtarchiv Freising stützen.
Ein kleines Puzzleteil stellt in diesem Zusammenhang die vorliegende Planzeichnung dar (vgl. Abb.): ein Fassadenaufriss des Freisinger Isartors von 1863. Johann Lang, Bauassistent am königlichen Landbauamt Freising, hat ihn im Auftrag des Stadtmagistrats gefertigt. Der Plan zeigt das Isartor, das am äußeren ende der Unteren Domberggasse bzw. Heiliggeistgasse stand, von seiner Außenseite, also von Südosten her. Das Pendant, der Aufriss der Innenseite, hat sich ebenfalls erhalten. Da es zum Tor keine anderweitige exakte visuelle Darstellung (auch keine Fotografie) gibt, kommt den beiden Plänen eine hohe stadtgeschichtliche Bedeutung zu.

Dem Aufriss nach handelte es sich beim Isartor um eines der kleineren der insgesamt sechs Freisinger Stadttore. Neben dem Torgeschoss mit einer spitzbogigen Toröffnung besitzt das Gebäude nur mehr ein weiteres Vollgeschoss. Darüber setzt das steile Satteldach an, dessen Giebelseiten mit relativ einfach gestalteten Rechteckzinnen versehen sind (eine ganz ähnliche Giebelgestaltung findet sich heute noch am Domberg-Osttor). Nordöstlich (rechts) schließt ein kleineres Gebäude mit einer Fachwerkkonstruktion an, südwestlich (links) ein etwas höheres Haus, in dem sich die Wohnung des Torwärters befindet. Dahinter zieht sich das (bis heute erhaltene) Teilstück der Stadtmauer den Domberg bis zum Turm der Domdechantei (jetzt Amtsgericht) hinauf.
Als Johann Lang die Pläne im Dezember 1863 zeichnete, war bereits klar, dass das Tor fallen würde. Ein halbes Jahr später, im Mai 1864, waren die Abbrucharbeiten beendet.

Autor: Florian Notter
Quellen: StadtAFS, Akten II, Planselekt.


 

Juli 2018 - Schreiben Adolf Hitlers an den Freisinger Stadtrat (1933)

Am Abend des 10. Mai 1933, gut drei Monate nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler, kam in Freising ein neuer, nunmehr nationalsozialistisch dominierter Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Die Sitzungsleitung lag in den Händen des ersten Bürgermeisters Gottlieb Schwemmer (NSDAP), der das Amt seit dem (erzwungenen) Rücktritt Stephan Bierners am 23. März kommissarisch führte.

Das Gremium war mit dem Stadtrat in der bisherigen Form nicht mehr vergleichbar: Zum einen besaß es keine demokratische Legitimation; die einzelnen Räte wurden nicht durch die Wahl der wahlberechtigten Stadtbevölkerung bestimmt, sondern durch einen Ende April einberufenen "Wahlausschuß", dem zum überwiegenden Teil Funktionäre der NSDAP angehörten. Zum anderen gab es die kommunale Selbstverwaltung, den rechtlichen Handlungsrahmen, in dem ein Gemeinde- oder Stadtrat politisch agierte, nicht mehr; mit Hitlers "Vorläufigem Gesetz zur Gleichschaltung der Länder mit dem Reich" vom 31. März 1933 war sie aufgehoben worden. Auch auf kommunaler Ebene trat an die Stelle der demokratischen Ordnung, die die Nationalsozialisten mit erschreckender Geschwindigkeit zerlegt hatten, das Führerprinzip. Der Bürgermeister war nunmehr der Alleinverantwortliche, der Stadtrat hatte nur noch beratende Funktion.

Die Konstituierung des neuen Stadtrats nutzten Gottlieb Schwemmer und sein Stellvertreter, SA-Sturmbannführer Hans Lechner, noch für ein anderes Vorhaben: Als äußerliches, weithin wahrnehmbares Zeichen der nationalsozialistischen Herrschaft sollte Freisings bedeutendste Straße, die Hauptstraße, den Namen "Adolf-Hitler-Straße" erhalten. Diesem Ansinnen stimmte das Ratsgremium ebenso "einstimmig" und "einmütig" zu wie dem Vorschlag, vier Herren die Ehrenbürgerwürde anzutragen: Neben Hitler waren das Reichspräsident Paul von Hindenburg, Reichsstatthalter Franz Ritter von Epp und SA-Stabschef Ernst Röhm.

Dreieinhalb Monate später, am 30. August 1933, unterzeichnete Adolf Hitler in Berlin ein maschinenschriftliches Schreiben, in dem er die angetragene Ehrenbürgerschaft annahm und sich darüber hinaus auch für die nach ihm umbenannte Freisinger Hauptstraße bedankte. Laut dem Eingangsstempel erreichte das Schreiben seinen Bestimmungsort allerdings erst am 12. Dezember 1933 (vgl. Abb.).

Ob auch Hindenburg, Epp und Röhm die Ehrenbürgerschaft angenommen haben, ist derzeit nicht zu ermitteln. Sowohl Röhm als auch Hindenburg wären nur kurzzeitige Träger gewesen: Röhm wurde Anfang Juli 1934 im Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch" ermordet, Hindenburg starb wenige Wochen später, im August 1934. Was die Straßenbezeichnung betrifft, so wurde - anders als zunächst vorgesehen - nicht die ganze Hauptstraße, sondern lediglich der obere und mittlere Teil in "Adolf-Hitler-Straße" umbenannt, der untere Teil dagegen in "Hindenburgstraße".

Infolge der Befreiung der Stadt Freising durch die U.S.-Armee am 29. April 1945 wurden die Straßenbezeichnungen der NS-Zeit, darunter auch die "Adolf-Hitler-Straße" und die "Hindenburgstraße", zügig umbenannt. In aller Regel erhielten die Straßen ihren angestammten Namen zurück. Sämtliche Ehrenbürgerschaften, die während der NS-Zeit verliehen wurden, hob der Freisinger Stadtrat im März 1946 auf.

Autor: Florian Notter
Quellen: StadtAFS, Amtsbücher II, Stadtratsprotokoll 1933; ebd., Altakten III, Nr. 408; ebd., Zeitungssammlung, Freisinger Tagblatt, 26.04.1933, 11.05.1933.
Literatur: Notter, Florian: zur Um- und Neubenennung von Freisinger Straßen während der NS-Zeit, in: Fink 8 (2014), Ausgabe März, S. 16-19.


 

September 2018 - Bewerbungsschreiben des Schaustellers Kaspar Gerstmeier (1929)

Vom 7. bis 16. September findet zum 89. Mal das Freisinger Volksfest in den Luitpold-Anlagen statt. Dann sind die Freisinger Bürgerinnen und Bürger wieder dazu eingeladen, zehn Tage lang Spaß, Spannung und eine gemütliche Zeit miteinander zu verbringen. Neben dem Genuss eines Brathendls oder einer Maß Bier gehört für viele Familien auch der Gang durch die Schieß- und Wurfbuden sowie die Mitfahrt bei den verschiedenen Fahrgeschäften zu einem ordentlichen Volksfest-Besuch dazu.

Das Freisinger Volksfest wurde erstmals zwischen dem 31. August und dem 9. September 1929 als "Schützen- und Volksfest" veranstaltet. Ganz in der Tradition der Landwirtschafts- und Gewerbeschauen des 19. Jahrhunderts war die Veranstaltung verbunden mit zahlreichen Ausstellungen von Vereinen, Tierzüchtern, Handwerkern und Institutionen. Präsentiert wurden beispielsweise die Errungenschaften verschiedener Weihenstephaner Einrichtungen sowie eine Obst- und Gartenbauausstellung, eine Bezirks-Bienenausstellung oder eine Präsentation von landwirtschaftlichen Brennerei- und Molkereimaschinen. Weitere Höhepunkte des Volksfestes bildeten die Wettkämpfe der Schützenvereine sowie ein Pferderennen auf dem Rennplatz rechts der Isar.

Zur Belustigung der Freisinger Bevölkerung wurde zwischen den Ausstellungs- und Bierhallen ein Jahrmarkt mit verschiedenen Schaubuden, Essensständen und Fahrgeschäften errichtet. Wie heutzutage mussten sich auch 1929 Schausteller, die ihre Attraktionen auf dem Volksfest präsentieren wollten, im Vorfeld für einen Platz auf der Volksfestfläche bewerben. So fragte beispielsweise der Augsburger Kaspar Gerstmeier den Freisinger Stadtrat an, ob er mit seiner Reitbahn, dem Palast-Hippodrom, am ersten Freisinger Volksfest teilnehmen könnte und bat um baldige telegrafische Zusage. Beigelegt war eine Fotografie, um sich einen Eindruck von dem Schauzelt der Reitshow zu machen, die mit insgesamt 26 Tieren auf die Reise ging (vgl. Abbildung). Zunächst erhielt Kaspar Gerstmeier eine Absage durch den Freisinger Stadtrat, konnte schließlich aber als Vertretung für den Schausteller Reinhold Wiessner doch noch am Fest teilnehmen.

Wie heute bildeten auch schon beim ersten Freisinger Volksfest 1929 die Schieß- und Wurfbuden den Großteil der Attraktionen. Hinzu kamen verschiedene Automatenspiele, wie beispielsweise ein automatischer Kraftmesser oder eine Personenwaage, sowie eine eigens errichtete Kegelbahn. Der Unterhaltung diente, neben dem Hippodrom des Herrn Gerstmeier, verschiedene Varieté- und Tierschauen. So gab es neben Fakiren und anderen Artisten auch eine Urwaldschau mit Krokodilen, Riesenschlangen und verschiedenen Affenarten, welche aus dem Hamburger Tierpark Hagenbeck stammten. Als Fahrgeschäfte standen den Bürgerinnen und Bürgern verschiedene Kettenkarusselle und Schiffschaukeln zur Verfügung. Zudem kleinere Kinderkarusselle und Ponyreithallen. Einen besonderen Anziehungspunkt stellte allerdings ein vollkommen neuartiges Fahrgeschäft dar, ein "Elektro-Selbstfahrer", oder "Auto-Scooter" - wie man heute sagt.

Autor: Matthias Lebegern
Quelle: Stadtarchiv Freising; Altakten III Volksfest 1929.


 

Oktober 2018 - Stimmzettel zur Landtagswahl am 26.11.1950 für den Stadt- und Landkreis Freising (1950)

Am 14. Oktober 2018 sind die bayerischen Wählerinnen und Wähler dazu aufgerufen, einen neuen Landtag und die sieben bayerischen Bezirkstage zu wählen. Das "Archivstück" des Monats Oktober beschäftigt sich ebenfalls mit einer Landtagswahl.

Am 26. November 1950 waren die Bayern zum zweiten Mal nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Diktatur dazu aufgerufen, einen neuen Landtag zu wählen. Der hier abgebildete Stimmzettel war ein Musterexemplar, weshalb er als "Ungültig" gekennzeichnet worden ist. Er diente den Wahlhelfern als Vergleichsmöglichkeit, um so eventuelle Fälschungen erkennen zu können.

Der Stimmzettel zeigt die Stimmkreisbewerber des Stadt- und Landkreises Freising im Wahlkreis Oberbayern, welche sich für ein politisches Amt im bayerischen Landtag zur Wahl stellten. Wählbar waren Vertreter der CSU, SPD, FDP und der Bayernpartei sowie der heute nicht mehr in dieser Form existierenden Parteien und Vereinigungen der KPD, der Wirtschaftlichen Aufbau-Vereinigung (WAV), der Vereinigung wirtschaftlich und politisch Entrechteter, des Deutschen Gemeinschaftsblock der Heimatvertriebenen und Entrechteten (BHE/DG) und des Wahlblocks der Kriegsgeschädigten Heimatvertriebenen-Entrechteten. Im Stimmkreis Freising erhielt der Kandidat der Bayernpartei, der Landwirt Xaver Ernst, mit 12.357 Stimmen die Mehrheit, vor dem Vertreter der CSU, Franz Heubl, mit 9.818 Stimmen und dem Vertreter der SPD, Christian Roith, für den 9.512 Qähler stimmten.

Bei der Landtagswahl 1950 wurde die SPD mit 28% zum ersten Mal stärkste Kraft in Bayern und lag dabei knapp vor der CSU, welche mit 27,4% der Stimmen ihr schlechtestes Ergebnis hinnehmen musste. Fast 40% der abgegebenen Stimmen entfielen auf die kleineren Parteien. Die großen Gewinner waren die 1946 gegründete Bayernpartei mit 17,9% und der Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten/Deutsche Gemeinschaft (BHE-DG) mit 12,3% der Stimmen, beide beteiligten sich 1950 erstmals an den bayerischen Landtagswahlen. Auch die 1948 gegründete FDP überwand mit 7,2% die Sperrhürde und zog das erste Mal in den bayerischen Landtag ein. Die KPD und der WAV fielen dagegen mit 2,8% und 1,9% der Stimmen aus dem Landtag.

In Folge der Überhangsmandate erhielt die CSU, trotz des schlechteren Wahlergebnisses, einen Sitz mehr im Landesparlament, weshalb der Auftrag zur Regierungsbildung an den amtierenden Ministerpräsidenten Hans Ehard (CSU) ging. Dieser hatte nun zwei Optionen für eine Koalition: der Zusammenschluss mit der SPD oder eine bürgerliche Koalition mit der Bayernpartei und dem BHE/DG. Die zweite Option wäre von der Bundesebene der CDU/CSU unter Konrad Adenauer vorgezogen worden, allerdings entschied sich der bayerische Ministerpräsident für eine Große Koalition, die sowohl von CSU- als auch von den SPD-Abgeordneten getragen wurde. Ehard suchte in der Koalition den Ausgleich und wollte, dass die Arbeit seines Kabinetts möglichst wenig durch Parteipolitik eingeschränkt wird. Die Koalition diente der Überbrückung politischer Gegensätze sowie der Öffnung gegenüber den fränkischen Landesteilen, den Protestanten und den Vertriebenen. Als wichtigste Aufgaben sah der Ministerpräsident, in der Kultur- und Schulpolitik des Status Quo zu erhalten, die Flüchtlinge und Vertriebenen zu integrieren, den Wohnungsbau aus öffentlichen Mitteln zu fördern, im Agrarstaat Bayern die Industrialisierung voranzutreiben und die Gesetze für die in der Verfassung vorgesehene Kommunalreform auszuarbeiten. In der Rückschau gelang dies der Regierung Ehard weitestgehend.

Autor: Matthias Lebegern
Quelle: Stadtarchiv Freising; Altregistratur nach 1945 04470007 - Landtagswahl 1950
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Literatur:

Deuerlein, Ernst; Gruner Wolf D.: Die politische Entwicklung Bayerns von 1945 bis 1972. In: Spindler, Max (Hrsg.): Handbuch der bayerischen Geschichte. Vierter Band. Das neue Bayern 1800-1970. München 1974. S. 538-644.

Lanzinner, Maximilian: Zwischen Sternenbanner und Bundesadler. Bayern im Wiederaufbau 1945-1958. Regensburg 1996.
Stadtarchiv Freising; Zeitungssammlung - Isar-Post, 3. Jahrgang Nr. 141 vom 28.11.1950.


 

November 2018 - Geplante Gruftkapelle der Familie Schlüter

Die fast neun Jahrzehnte dauernde enge Verbindung der Unternehmerfamilie Schlüter zur Stadt Freising begann im Jahr 1912. Damals ersteigerte Anton Schlüter (1867-1949), gebürtiger Westfale und seit 1899 Eigentümer einer Münchner Motorenfabrik, die Maschinenfabrik und Eisengießerei des Otto Schülein an der Münchner Straße. Zur selben Zeit, und noch bevor 1915 den Bau seiner (heute noch in Teilen erhaltenen) zweiten Freisinger Fabrik in angriff nahm, fasste Schlüter den Entschluss, mit seiner Familie von München nach Freising überzusiedeln.

Aus diesem Grund hatte Schlüter 1912 die ein gutes Stück südlich der Stadt, an der Münchner Straße gelegene so genannte "Schmidbauermühle" erworben. Er veranlasste umfangreiche Um- und Neubauten, die zum Ziel hatten, einen für die Fabrikantenfamilie angemessenen Wohn- und Repräsentationssitz zu schaffen. Vorbilder dafür gab es zum damaligen Zeitpunkt reichlich: Im Zuge der Industrialisierung entwickelte sich die Fabrikanten- oder Industriellenvilla zu einer verbreiteten Bauaufgabe. Die Konzeption des Fabrikantensitzes der Familie Schlüter stand - ungeachtet der vergleichsweise späten Entstehung - ganz in der Tradition der Lebens- und Repräsentationsweise des Wirtschaftsbürgertums des 19. Jahrhunderts.

Der Ausbau des "Schlütergutes", wie das Anwesen nun genannt wurde, erstreckte sich über mehrere Jahre, von 1913 bis zum Beginn der 1920er Jahre. Den Mittelpunkt des Areals bildet(e) die in neobarocken Formen aufgeführte Villa. Im Norden und Westen ließ Schlüter mehrere Nebengebäude anfügen, die man überwiegend landwirtschaftlich nutzte. Südlich und östlich der Villa wurde ein weitläufiger Park angelegt.

An der Ostseite des Parks, nahe der Münchner Straße, plante Anton Schlüter den Bau einer Kapelle, die, wie nicht zuletzt auch der Projekttitel "Gedächtnis-Kapelle" verrät, in erster Linie als Grablege seiner Familie gedacht war. Von diesem Vorhaben des Fabrikanten zeugt ein Konvolut von insgesamt zehn Plänen, das im Stadtarchiv Freising überliefert ist. Der Datierung auf das Jahr 1921 nach zu schließen hätte der Kapellenbau zu den letzten Maßnahmen beim Ausbau des Fabrikantensitzes gehört. Das Projekt wurde allerdings nie verwirklicht.

Der Planungsauftrag für die Kapelle vergab Schlüter an den Architekten Friedrich Haindl (1872-1960), den ersten Vertreter einer über mehrere Generationen hinweg (und bis heute) tätigen Münchner Architektenfamilie. Haindls Entwürfe sahen einen nach Art eines barocken Zentralbaus geschaffenen Kirchenraum vor, der mit rund 18 Meter Länge und 10 Metern Breite ungefähr das Volumen der Dorfkirchen von Attaching oder Hohenbachern erreicht hätte. Die stattlichen Ausmaße und die reiche historisch-neobarocke Ausstattung sind besonders gut an einer Planzeichnung zu erkennen, die die projektierte Kapelle in ihrem Längsschnitt zeigt (vgl. Abb.): Im Untergeschoss, das über einen eigenen Zugang von außen her zu erreichen gewesen wäre, war die Grablege der Familie geplant. Darüber hätte sich der Kapellenraum mit dem nach Süden (links) anschließenden Chor erhoben. An der Nordseite (rechts) war ein Treppenhaus vorgesehen, das von der Gruft drei Stockwerke nach oben führte. Von hier aus hätte die Familie Schlüter in ihr privates Oratorium gelangen können. Die darüberliegende Empore war für die Aufstellung der Orgel bestimmt.

Die Gründe, warum Anton Schlüter die Gruftkapelle nicht realisieren ließ, sind unbekannt. Möglicherweise sind sie in den schwierigen Zeitumständen der 1920er Jahre zu suchen. In jedem Fall aber wirft das Projekt ein Licht auf das Selbstverständnis des Fabrikanten. Schlüter, der es aus gewöhnlichen bürgerlichen Verhältnissen zum erfolgreichen und wohlhabenden Großunternehmer gebracht hatte, bediente sich, um seinen Erfolg auch visuell zu veranschaulichen, eines Repertoires an Bautypen und Bauformen, die der aristokratischen Lebenswelt entstammten: Eine neobarocke Villa, die über eine schnurgerade Allee zu erreichen war und die von einer imposanten Parkanlage umgeben wurde. Eine dynastisch motivierte Gruftkapelle, wie man sie von zahlreichen Landadelssitzen kennt, hätte sich in dieses Konzept nahtlos eingefügt.

Autor: Florian Notter
Quellen: StadtAFS, NL Anton Schlüter
Literatur:
Baumgärtner, Gisela: Die Schlüterfabrik in Freising. Baugeschichtliche Untersuchung eines Industriedenkmals des frühen 20. Jahrhunderts, in: Götz, Ulrike (Hg.): 38. Sammelblatt des historischen Vereins Freising, 2004, S. 135-189.
Motorenfabrik Anton Schlüter (Hg.): 60 Jahre Schlüter, 1959.
Motoren- und Traktorenfabrik Anton Schlüter (Hg.): Das ist Schlüter, 1974.


 

Dezember 2018 - Plan zum Schwimmbad in den Isarauen (1883)

Viele badebegeisterte Freisinger, darunter hunderte Schüler, hatten lange darauf gewartet: Pünktlich zur Badesaison 1864 konnte das erste öffentliche Schwimmbad der Stadt seinen Betrieb aufnehmen. Das auf dem Areal des heutigen Volksfestplatzes gelegene Bad sollte knapp vierzig Jahre Bestand haben, erst 1902 wurde es vom neuen Schwimmbad in Lerchenfeld abgelöst.

Dass im 19. Jahrhundert öffentliche Schwimmbäder zu einer wichtigen Bauaufgabe wurden, hatte zunächst nichts mit dem Freizeitbedürfnis der damaligen Menschen zu tun. Der Grund dafür lag vielmehr im 17. und 18. Jahrhundert: Das Zeitalter der Aufklärung hatte einen nachhaltigen Wandel unter anderem auch des Körperbildes bewirkt; Reinlichkeit und Hygiene wurden zu einem zentralen Bestandteil menschlichen Daseins erhoben, die Reinlichkeit des Körpers zum Pendant des vernunftgeleiteten Geistes. Regelmäßiges Baden wurde aber nicht nur aus hygienischen Gründen propagiert, man sah darin zunehmend die Möglichkeit, den Körper zu stärken - die Geburtsstunde des modernen Sportschwimmens. Als dann das Schwimmen - nicht zuletzt unter dem Eindruck von Friedrich Ludwig Jahns bahnbrechendem Werk "Die deutsche Turnkunst" (1816) - Eingang in die militärische Ausbildung fand, sprossen vielerorts die ersten öffentlichen Schwimmbäder aus dem Boden. Tatsächlich dienten diese Bäder in erster Linie dem Schwimmunterricht der Soldaten, wurden aber zu bestimmten Zeiten auch der Zivilbevölkerung zugänglich gemacht. Eine besondere Forderung wurde jenen "Militärschwimmbädern" im Königreich Bayern zuteil.

Vor diesem Hintergrund scheint es einigermaßen logisch, dass es im Freisinger Fall eben auch das Militär war, das 1855 erstmals den Bau eines Schwimmbades ins Spiel brachte. Schon die erste Initiative sah eine Mischnutzung vor: Neben den Neustifter Kürassieren sollten Bürger und explizit auch die verschiedenen Freisinger Schulen Zugang zum Schwimmbad erhalten. Die Initiative überzeugte die entscheidenden Stellen, so besonders den Landrichter und die Regierung von Oberbayern. Nur beim Freisinger Stadtrat löste der Vorschlag kaum Begeisterung aus und das war allzu verständlich: Die Kosten für den Bau hätte alleine die Stadt tragen müssen. So nahm eine jahrelange Diskussion mit beinahe unzähligen Standortuntersuchungen und Badvarianten ihren Anfang - ohne, dass man zu einem greifbaren Ergebnis gekommen wäre.

Dass ein öffentliches Schwimmbad schließlich doch verwirklicht werden konnte, ist dem zunehmenden Druck staatlicher Behörden zu verdanken. 1861 gab es seitens der Regierung von Oberbayern einen unmissverständlichen Auftrag an den Stadtmagistrat, dem dieser nunmehr zögernd nachkam. Ein spürbar gestiegenes Engagement der Stadt lässt sich besonders nach dem 1. Juli 1862 feststellen, als Freising zur kreisfreien Stadt erhoben wurde und damit über deutlich mehr Kompetenzen verfügte. Letztlich ging dann alles relativ schnell: Baubeginn des Bades war 1863, im Jahr darauf war das 101 Meter lange Schwimmbecken fertiggestellt, Ende desselben Jahres die nebenliegende Turnhalle, die überwiegend der noch junge "Turnverein" ( heute "turn- und Sportverein Jahn Freising 1861 e.V.") nutzte. Bis 1866 war auch der kleine Park, der das Schwimmbad umgab, vollendet. Neun Jahre nach der Initiative des Neustifter Militärs verfügte Freising nun über ein zeitgemäßes Schwimmbad, das sich großer Beliebtheit erfreute. Nur die Kosten waren vollkommen aus dem Ruder gelaufen: Waren zunächst 4.750 Gulden veranschlagt worden, so verzeichnet die Schlussrechnung satte 15.721 Gulden - eine Kostensteigerung um 230 Prozent.
Zwanzig Jahre nach Baubeginn, 1833, fertigte Freisings Stadttechniker (ab 1885 Stadtbaumeister) Michael Abele einen Grundriss der "Schwimm- und Turnanstalt" - ein aus heutiger Sicht glücklicher Umstand, denn der Plan ist das einzige erhaltene Dokument, das uns eine genauere Vorstellung vom Aussehen dieser für die Freisinger Stadtgeschichte bedeutenden Einrichtung geben kann.

Autor: Florian Notter

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